Gerichtsurteil in Berlin
Polizei darf nicht über Tattoos ihrer Beamten entscheiden
Ästhetische Urteile über den tätowierten Körperschmuck ihrer Beamten darf sich die Berliner Polizeiführung in Zukunft nicht mehr erlauben. Die Entscheidung, ob ein Tattoo aus ästhetischen Gründen zumutbar sei oder nicht, müsse grundsätzlich vom Gesetzgeber getroffen werden.
Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. Das Parlament müsse entscheiden, welche Tattoo-Größen und Darstellungen mit den Anforderungen an Beamte und "den berechtigten Erwartungen der Bevölkerung an die Polizei vereinbar" seien (Aktenzeichen OVG 4 S. 52.18).
Die Richter gaben damit einem jungen Mann Recht, der sich um die Einstellung in den mittleren Polizeidienst beworben hatte. Die Polizeiführung hatte ihn vom Auswahlverfahren ausgeschlossen, weil er große Tätowierungen mit Frauenschädeln (das mexikanische Motiv "La Catrina") auf den Armen trägt - die wären beim Tragen der Sommeruniform sichtbar.
Das OVG entschied jetzt, "dass die Prüfung, ob die Tätowierungen in der Bevölkerung als bedrohlich und abschreckend wahrgenommen werden könnten, nicht von der Polizeibehörde vorgenommen werden" darf. Tätowierungen seien mittlerweile in der Mitte der Bevölkerung angekommen, heißt es in einer Erklärung des Gerichts. Die parlamentarische Debatte dürfe von der Polizeibehörde nicht vorweggenommen werden.
Anders liegt der Fall, wenn es um strafrechtlich relevante Tätowierungen geht: Dann darf die Polizeibehörde selbst entscheiden, ob Tätowierungen von Bewerbern gegen Gesetze verstoßen oder Zweifel daran auslösen, dass diese "jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung mitsamt den dort geregelten Menschenrechten eintreten".
Auch das nordrhein-westfälische OVG in Münster hatte vor wenigen Monaten so argumentiert wie die Richter in Berlin: Es gab einem Polizeibewerber mit Tattoos Recht, weil die Exekutive keinen Ermessensspielraum habe und darauf angewiesen sei, dass das Parlament die Kriterien in einem Gesetz regle.
Angehende Polizisten mit Tätowierungen auf den Unterarmen landen immer wieder vor Verwaltungsgerichten - mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Mal wurde ein großflächiger Löwenkopf bei einem angehenden Beamten nicht beanstandet; dann wieder entschied ein Gericht, dass eine barbusige Göttin Diana auf dem Arm "zu sexistisch" für den Polizeidienst sei.
him/AFP