Lehrergeständnisse
Als ich mich beim Abiball total besoffen habe
Zum Autor
- Daniel Schmitt
- arneulbricht.de
Lehrer sollten Vorbilder sein. Sie sollten zum Beispiel nicht ständig während des Unterrichts auf ihre Smartphones schielen, wenn sie das ihren Schülern verbieten. Und sie sollten nicht morgens vor Drogenkonsum warnen und sich abends hemmungslos betrinken. Erst recht nicht vor den Schülern. Genau das ist mir aber passiert: Ich habe auf einem Abiball die Kontrolle über mein Trinkverhalten verloren.
In der eigenen Biografie gehört der Abiball zu den wenigen Partys, die man wirklich nur einmal erlebt. Anders als bei anderen Festen, wie etwa dem fünfzigsten Geburtstag, der sich nicht unbedingt vom vierzigsten oder sechzigsten unterscheidet oder bei der Hochzeit, die viele heute zwei Mal oder sogar öfter veranstalten.
Als Lehrer erlebt man zwar viele Abibälle, dennoch bleibt jeder Abiball ein außergewöhnliches Erlebnis. Denn die Abiturienten waren zehn Jahre alt, als man sie zum ersten Mal mit dem eigenen Unterricht beglückte, dann waren sie als pubertierende Monster endlos genervt und in der Oberstufe als angehende Erwachsene manchmal sogar ehrlich interessiert. All diese Höhen und Tiefen, durch die man gemeinsam geschlittert ist, feiert man auf einem Abiball. Aus diesem Grund markieren sich nicht nur die Abiturienten, sondern auch viele Lehrer frühzeitig den Abiball in ihrem Jahres-Partykalender.
Im Jahr 2015 war ich Klassenlehrer einer Abiklasse - an unserer Schule wird in der Oberstufe in Klassenverbänden unterrichtet - hielt eine Rede, war im Dauergespräch mit irgendwelchen Eltern und hielt mich mit dem Konsum alkoholischer Getränke artig zurück. 2016 kannte ich zwar den ganzen Jahrgang, allerdings nur als Nebenfachlehrer.
Der Boden drehte sich
Während andere Lehrer gefeiert wurden, sich mit Eltern unterhielten und sich zurückhielten, begann ich zu trinken. Und ich trank und trank, und da sich die Schüler später am Abend um ihre Klassenlehrer gruppierten und mit ihnen Selfies machten, trank ich immer mehr und merkte nicht, dass ich in meinem Zustand einen gewissen Ort unbedingt hätte meiden sollen: die Tanzfläche!
Tanzen mit Schülern ist übrigens ein unfassbarer Spaß. Denn die Schüler von heute hüpfen genauso ungelenk über die Tanzfläche wie man selbst. Herrlich. Ich selbst war aber nicht nur ungelenk - ich wankte. Und wenn ich auf den Boden schaute, drehte er sich, und dass ich deshalb an die Decke schaute, nützte nichts, denn die Decke drehte sich auch. Das war schon peinlich genug. Aber es kam noch schlimmer.
Ich vertiefte mich in ein "Gespräch" mit einer Schülerin, lallte anschließend deren Mutter zu und wusste schon im rettenden Taxi nicht mehr, worüber ich mich unterhalten hatte.
Am nächsten Morgen war ich verkatert und schämte mich. Die meisten der Schüler habe ich nie wieder gesehen. Wie haben sie mich in Erinnerung behalten? Als meistens gut gelaunten Lehrer oder als torkelnden Trunkenbold, den man nicht ernst nehmen muss? Ich befürchte, dass mir das Kunststück gelungen ist, an einem einzigen Abend mein ganzes Ansehen, das ich bei einigen Schülern durchaus genoss, im Suff ertränkt zu haben.
In diesem Jahr wird man mich auf keinem Abiball sehen. Aber 2018 werde ich wieder mit dem ganzen Jahrgang feiern. Und auch ein bisschen trinken und (hoffentlich) rechtzeitig auf Apfelsaftschorle umsteigen.
Und jetzt kommen Sie
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