Hilfe von der WG-Therapeutin
"Als würde man mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde zusammenleben"
Anne* schreibt:
Ich wohne in einer Dreier-WG und bin Hauptmieterin. Eine meiner Mitbewohnerinnen ist vor einem halben Jahr eingezogen, fühlt sich aber aufgrund der dritten Mitbewohnerin, S., nicht ganz wohl bei uns.
S. und ich wohnen schon etwa zwei Jahre zusammen und sind eigentlich auch miteinander befreundet. Sie hat sich aber in den vergangenen Monaten sehr verändert und ist regelrecht unfreundlich geworden. Von unserer Freundschaft spüre ich auch nicht mehr wirklich etwas. Sie grüßt meistens nicht einmal mehr. Sage ich "Guten Morgen" zu ihr, verdreht sie oft die Augen. Wenn sie dann doch mal etwas sagt, ist sie meist kurz angebunden und patzig.
Das macht das Leben in der WG und die Wohnatmosphäre sehr unangenehm, weil auch die dritte Mitbewohnerin lieber in ihrem Zimmer bleibt, um S. nicht zu begegnen. Es ist ein bisschen so, als würde man mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde zusammenleben, denn manchmal ist sie doch die alte S., die gut gelaunt und freundlich ist. Aber sie ist immer seltener so.
Du hast WG-Kummer?
- Silja Götz
Ich habe auch schon mal versucht, mit ihr darüber zu reden und gefragt, ob es irgendwelche Probleme bei ihr gibt, aber sie hatte ihre Art offenbar gar nicht als unfreundlich empfunden und entgegnete nur, dass sie eben etwas brüsker im Umgang sei.
Inzwischen bin ich so weit, dass ich möglichst vor ihr aus der Wohnung gehe und spätabends erst zurückkomme, um die Interaktion mit ihr auf einem minimalen Level zu halten. Ansonsten versuche ich, freundlich zu ihr zu sein, obwohl sie mich behandelt, als ob ich die Pest hätte. Ich versuche auch, sie zum gemeinsamen Filmabend oder so zu animieren, doch das blockt sie meistens ab.
Ich bin Hauptmieterin und überlege sogar schon, ob ich ihr kündigen soll. Hätte ich denn die rechtliche Grundlage dazu? Allerdings wäre das für mich die absolut letzte Lösung, da wir auch in der Uni viel Kontakt und den gleichen Freundeskreis haben. Deswegen habe ich Angst, dass ich dann die "Böse" bin. Aber ich weiß einfach nicht mehr, wie ich mit dieser Situation weiter umgehen soll.
*Name geändert
Zur Person
- Amac Garbe
Sabine Stiehler antwortet:
Liebe Anne,
das hört sich nach vielen Dingen an, die zwischen Ihnen und Ihrer Mitbewohnerin ungeklärt sind. Sie schreiben, Ihre Mitbewohnerin habe sich in den vergangenen Monaten sehr verändert, zudem sei die neue Mitbewohnerin vor einem halben Jahr eingezogen. Besteht ein Zusammenhang zwischen der Verhaltensänderung und dem Einzug? Wollten Sie, dass die neue Mitbewohnerin einzieht oder war das eine gemeinsame Entscheidung mit Ihrer alten Mitbewohnerin?
Falls Sie im Alleingang entschieden haben, hat diese Entscheidung Ihre Mitbewohnerin vielleicht vor den Kopf gestoßen, und nun ist sie enttäuscht. Vielleicht ist das ein Problem, das zwischen Ihnen unausgesprochen ist?
Sie schreiben, dass Sie nichts mehr von Ihrer Freundschaft spüren. Es ist immer ungünstig, wenn man erst befreundet ist und dann zusammenzieht. Oft belastet das Zusammenwohnen eine Freundschaft, weil der eine andere Vorstellungen davon hat als der andere. Aber im Grunde hat man in einer WG nicht das Recht auf Freundschaft oder Freundlichkeit. In einer WG ist es in erster Linie wichtig, sich an Absprachen zu halten.
Sie möchten wissen, wie Sie das Thema am besten noch einmal ansprechen können: Verzichten Sie auf "Du-Botschaften", sondern vermitteln Sie Ihre Irritationen und Unsicherheiten als "Ich-Botschaften". Sie könnten zum Beispiel sagen, "Ich bin traurig, weil ..." oder "Es kommt mir vor, als wäre zwischen uns etwas passiert" oder "Ich wünsche mir, dass ...".
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Führen Sie das Gespräch mit ihr nicht in der WG, sondern gehen Sie mit Ihrer Mitbewohnerin zum Beispiel in ein Lokal. Vielleicht können Sie sie dort zum Essen einladen? In der WG zu sprechen, ist nicht günstig, weil der Ort belastet ist. Reden Sie ruhig auch erst mal unter vier Augen mit Ihrer Mitbewohnerin, später können sie auch die neu eingezogene Mitbewohnerin mit einbinden.
Natürlich haben Sie als Hauptmieterin das Recht, ihr zu kündigen, aber dazu würde ich Ihnen zunächst nicht raten. Ihre Mitbewohnerin ist, wie Sie schreiben, ohnehin bald mit dem Studium fertig. Wenn sich Ihr Verhältnis zueinander nach einem Gespräch nicht ändert, können Sie eine Kündigung immer noch in Erwägung ziehen.