Urlaub mit Freunden
Den Akku wieder aufladen
Die gebrochene Speiche? Kein Problem. Björn Wiedenroth hat Ersatz dabei. Doch nach dem harten Aufsetzen auf dem Kantstein ist da nun auch dieser Riss. Fassungslos starrt der 34-Jährige kurz vor Gotha auf den gebrochenen Rahmen seines Rennrads.
Weder von mehreren Wolkenbrüchen, noch von völlig durchnässtem Gepäck hatten er und sein Freund Thomas Frank, 35, sich bislang stoppen lassen - und jetzt das. Den beiden Radfahrern ist klar, was der kaputte Rahmen bedeutet: das vorzeitige Ende ihrer herbeigesehnten, einwöchigen Radtour. 50 Kilometer vor dem Ziel im Thüringer Wald.
Trotz der Pannen sind die beiden Studienfreunde begeistert, wenn sie von ihrer Sommertour entlang des Weser- und Werraradweges erzählen. Denn das, was den beiden am wichtigsten war, für das es weder GPS-Koordinaten noch Vorhersage-Apps gibt, haben sie geschafft: sich im dicht getakteten Alltag ein paar Tage frei zu schaufeln, um gemeinsam zu verreisen. Und den Freundschaftsakku wieder aufzuladen.
Klingt simpel. Ist es aber nicht. Freunde, die man viel zu lange schon nicht mehr gesehen hat, mit denen man gerne mal wieder ein paar gemeinsame Tage hätte, haben viele von uns. Das Problem mit den gemeinsamen Unternehmungen: Oft bleiben sie aufrichtig gemeinte Absichtserklärungen. Zwei rushhournde Leben auf einen Nenner zu bekommen, ist eben doch nicht so einfach. Und - ruckzuck - ist wieder ein Sommer mit seinen vielen "Es wäre so schön, wenn wir..."-Möglichkeiten vorbei.
Freundschaftstrick: Gemeinsame Erinnerungen schaffen
Dabei ist es so klug, einander nicht aus den Augen zu verlieren: Freundschaften brauchen gemeinsame persönliche Zeit. WhatsApp-Nachrichten, Anrufe und E-Mails sind prima Überbrückungsmittel, für Phasen, in denen man sich nicht sehen kann. Doch zusammen etwas zu erleben, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen, ist ein ganz entscheidender Schlüssel zum Freundschaftsglück.
"Ich glaube, es hilft bei der Planung, alles so unkompliziert wie möglich zu halten", sagt Wiedenroth. Keine ewigen Anfahrtswege, kein aufwendiger Flug. Nichts, was das Unterfangen logistisch anspruchsvoll oder teuer macht. Weder Wiedenroth noch Frank sind groß tourenerfahren. "Wir hatten einfach Lust auf ein bisschen Abenteuer, Natur und darauf, mit wenig auszukommen."
Es ist ihr erster gemeinsamer Urlaub, und natürlich geht ihnen durch den Kopf, was wohl wäre, wenn sie feststellen: wir zusammen, rund um die Uhr, das geht nicht. Dann hätten sie das nicht als Bruch empfunden. "Wir wüssten dann, dass wir uns besser zu anderen Dingen verabreden."
Auch nach dem Regen ist nicht alles Sonnenschein
Mit der Planung ihrer Radtour sind die beiden schnell fertig. Fotograf Wiedenroth reist aus Hamburg an, Gestalter Frank aus Bremen. In Hannover radeln sie Anfang Juli mit einem Zelt im Gepäck los.
Rund 400 Kilometer liegen vor ihnen. Hameln. Holzminden. Höxter. Hannoversch Münden. Eschwege. Eisenach. Gotha. Ilmenau. Als an Tag zwei der große Regen über die Radfahrer hereinbricht und sie zu spät merken, dass sie die Satteltaschen nicht gut verschlossen haben, fragen sich die beiden: "Sind wir bekloppt, was machen wir hier eigentlich?"
Auch als der Himmel längst wieder aufgerissen ist, ist nicht alles Sonnenschein. "Klar waren wir auf der Tour auch mal genervt voneinander", sagt Wiedenroth. Wenn der eine keinen Blick mehr für die abendliche Sommerlandschaft hat und dringend einen Schlafplatz suchen will, der andere aber noch nicht ans Ende des Tages denken möchte. Und natürlich hätten sie es lieber bis nach Ilmenau geschafft, statt sich mit kaputtem Rad von Franks Eltern mit dem Auto abtransportieren lassen zu müssen.
Und doch sind da all die kleinen perfekten Momente: als Frank sich abends nach einem langen Tourtag auf Dosenravioli einstellt, Wiedenroth stattdessen ein Glas mit einer selbstgemachten Kräutermischung zückt und auf dem Gaskocher eine köstliche Pasta bereitet. Als sie in Wanfried im Werratal an einem Nachmittag einen perfekten Pausenplatz mit Badestelle finden und die beste ihrer Reggae-Playlisten läuft. Wenn sie gemeinsam Tempo machen und merken: Das mit uns geht weiter, auch wenn wir im Alltag nicht mehr zusammen auf Strecke sind.
"Es war toll, die Tour mit ihren Höhen und Tiefen gemeinsam zu erleben. Niemand kann uns diese Zeit wegnehmen. Sie bleibt für immer", sagt Frank. Da ist er schon wieder zurück in seinem Bremer und Wiedenroth in seinem Hamburger Leben. Sie haben einander versprochen, die Tour demnächst zu Ende zu bringen. Schließlich müssen sie noch nach Ilmenau, in die Hütte des Großvaters, die Frank seinem Freund unbedingt zeigen will.