Rundgang durch die ESC-Stadt
Ein Tag in Lissabon
Am Wochenende wird aus der Stadt des Fado das Zentrum des Schlagers: Lissabon richtet den Eurovision Song Contest aus. Lassen Sie sich von einer Expertin auf einen Rundgang durch die Stadt mitnehmen.
Samstag, 12.05.2018
06:41 Uhr
Kein Musikstil hat Lissabon so sehr geprägt wie der Fado: der melancholische Gesang zur portugiesischen Gitarre, der von unglücklichen Lieben, von Trennung und Sehnsucht erzählt. Wahrscheinlich wird es am Samstag in der Stadt am Tejo aber weniger trübselig zugehen: Dann findet das Finale des 63. Eurovision Song Contest statt, bei dem 26 Länder antreten. Vor Ort können Touristen und Einheimische das Public Viewing auf dem zentralen Praça do Comércio am Flussufer verfolgen.
Was aber tun bis dahin? Zum Glück lässt sich Lissabon sehr gut zu Fuß zu entdecken, denn für eine Hauptstadt ist sie relativ klein. Allerdings auch hügelig, so dass es manchmal anstrengend sein kann, die vielen Aussichtspunkte zu erreichen.
Reiseführerautorin Eva Mäkler, die vor 15 Jahren ihre Liebe für Lissabon entdeckte, empfiehlt einen ausgiebigen Rundgang. Mit einiger Kondition soll er an einem Tag zu schaffen sein. Wer sich mehr Zeit für Café-, Museums- und Kirchenbesuche sowie an den Aussichtspunkten nehmen will, kann die Route auch aufteilen. Hier geht's lang:
"Unser Rundgang Richtung der Innenstadt von Lissabon beginnt an der Metrostation São Sebastião. Von dort ist es nicht weit zum oberen Ende des Parque Eduardo VII und zum Jardim Amália Rodrigues. Dort haben wir einen Blick zum Zentrum und auf den Fluss Tejo.
Wir laufen durch den Park hinunter, vorbei am Pavilhão Carlos Lopes, bis zum oberen Ende der Avenida de Liberdade mit dem Denkmal des Marquês de Pombal. Er baute die Stadt auf, nach dem Erdbeben von 1755 an Allerheiligen. Es zerstörte weite Teile der Stadt, vor allem die Baixa (die Unterstadt). Dabei fielen die Kerzen in der Kirche um und brannten alles ab. Ein Tsunami brandete über die Ufer des Tejo, Zehntausende starben an dem Tag.
Die Avenida de Liberdade ist eine Art Lissaboner Champs-Élysée. Es gibt großzügige Trottoirs und Luxusgeschäfte. Bei der Metrostation Avenida stoppen wir für unser Frühstück im modernen Café Delta Q. Zwei Personen können hier für ungefähr 15 Euro gut frühstücken. Für 12 bis 15 Euro pro Person gibt es einen richtigen Brunch. Das ist in Portugal nicht so häufig: Hier gibt es keine Frühstückstradition.
Gut gestärkt laufen wir die Avenida weiter runter bis zum Praça dos Restauradores . Der Obelisk erinnert an den Restaurationskrieg, an dessen Ende 1668 Portugal von Spanien unabhängig wurde.
Von hier fahren wir mit einer der typischen Lissaboner Standseilbahnen, dem Ascensor da Glória, die steile Gasse hinauf. Direkt beim Ausgang des Ascensor halten wir bei einer Open-Air-Streetart-Ausstellung. Die Künstler bewerben sich darum, hier sprayen zu dürfen. Streetart ist ein Markenzeichen von Lissabon. Ein Stück weiter kommen wir an einen der schönen Aussichtspunkte, die typisch sind für Lissabon mit seinen vielen Hügeln. Miradouro bedeutet "mit einem Ausblick aus Gold". Vom Miradouro São Pedro de Alcântara sehen wir auch die Burg, das Castelo São Jorge.
Vom Miradouro aus gehen wir die Rua Dom Pedro V hinauf zur Pastelaria São Roque. Pastelarias sind eine Mischung aus Bäckerei, Konditorei und Café. Als Snack empfehle ich einen bolo de arroz - kleine, kompakte Küchlein, die sättigend, aber nicht extrem süß sind.
Wir gehen die Rua Dom Pedro V weiter hoch und befinden uns mitten im Modeviertel Lissabons. Viele Designer haben hier kleine Läden, es gibt Galerien und Restaurants - gefährlich für den Geldbeutel. Wir werfen einen Blick in den Laden von Lidija Kolovrat - ihre expressive Mode besteht meistens aus Oversize-Teilen in wilden Farben.
Wir bummeln bis zur Praça do Príncipe Real mit einem kleinen Park. Am Wochenende gibt es hier oft einen Markt - mal mit Biolebensmitteln, mal mit portugiesischen Spezialitäten oder Kunsthandwerk. Auch hier gibt es viele Modeläden - relativ Portemonnaie-freundlich ist der 21pr Concept Store. Wir gehen die Straße zurück bis zum Largo Trindade Coelho mit der Kirche São Roque. Dort biegen wir links ab, gehen die Rua Nova da Trindade runter.
Chiado ist das historische Literatenviertel Lissabons. Der Starkoch José Avillez hat sich hier ein kleines Imperium aus mehreren Restaurants aufgebaut - das Bairro de Avillez. Danach laufen wir auf der Rua Nova da Trindade bis zum Largo do Chiado. Hier springt uns die Kirche Igreja da Nossa Senhora da Encarnação ins Auge. Sie ist eines der wichtigsten Barock-Bauwerke Portugals. Nach dem großen Erdbeben musste sie neu aufgebaut, danach mehrfach restauriert, werden, zuletzt nach dem großen Chiado-Brand 1988.
Nur ein kleines Stück nach rechts liegt die Praça Luís de Camões, benannt nach dem Nationaldichter Portugals. Ein Blick auf den Boden lohnt: auf die Calçada Portuguesa, das schwarz-weiße Straßenpflaster, typisch für Lissabon. Um das Denkmal herum stellt es Motive aus dem Epos "Die Luisaden" dar.
Unser Weg führt in die Rua Garrett, die Haupt-Fußgängermeile des Chiado. Hier gibt es noch historische Läden, doch viele mussten schließen und wurden durch internationale Ketten ersetzt. Berühmt ist die Livraria Bertrand - der laut Guinness-Buch der Rekorde älteste Buchladen der Welt.
Die Calçada do Sacramento führt uns zum Largo do Carmo, mit der Ruine des Convento do Carmo - das Karmeliter-Kloster wurde bei dem Erdbeben zerstört. Teilweise wurde es wiederaufgebaut und ist heute unter anderem der Hauptsitz der portugiesischen Nationalgarde. Das Kirchenschiff jedoch hat man als mahnende Ruine ohne Dach stehengelassen. Weiter geht es mit einem verkehrstechnischen Highlight, dem Elevador de Santa Justa. Dieser Aufzug fährt seit 1902 - immer noch mit der Original-Holzkabine mit Messingbeschlägen.
Unten mit dem Aufzug im Viertel Baixa angekommen, laufen wir auf der Rua de Santa Justa bis zur Fußgängerzone Rua Augusta. Wir biegen ab in Richtung Fluss und kommen zu dem Triumphbogen Arco da Rua Augusta. Dort oben können wir hinter den allegorischen Figuren stehen, die den portugiesischen Heldentaten gewidmet sind, und auf den Praça do Comércio am Tejo-Ufer schauen.
Nach dem Erdbeben machte der Marquês de Pombal diesen Platz zum Handelszentrum der Stadt und benannte ihn zu Ehren all der Handelsleute, die den Aufbau mitfinanzieren mussten in Praça do Comércio um. Hier findet das Public Viewing für den Eurovision Song Contest ist statt.
Wenn wir mehr Zeit als einen Tag haben, besuchen wir das Lisboa Story Centre in den Arkaden. Es zeigt die Highlights der Geschichte der Stadt. Der Audioführer ist witzig und auch auf Deutsch. Sehr eindrücklich ist der Erdbebenraum - eine Zeitreise ins Jahr 1755. Den empfehle ich allerdings nicht für Kinder unter zwölf Jahren.
Von der Praça do Comércio gehen wir über die Rua da Alfândega in die Rua dos Bacalhoeiros. In der Conserveira de Lisboa gibt es nur Fischkonserven - ein beliebtes Andenken. Wir gehen weiter in die Rua Santo António da Sé in Richtung der berühmten Kathedrale Sé - ein Symbol des Sieges über die Mauren im Jahr 1147. Auf dem Weg sollte man die kleine Kirche des Stadtheiligen Santo António nicht übersehen.
Dann gehen wir die Rua Augusta Rosa hoch und kommen zum Museu do Aljube. Das Gebäude war unter anderem das politische Gefängnis in der Diktatur von Salazar, heute ist es ein Museum über diese Zeit.
Die Straße hoch kommen wir an den Miradouro de Santa Luzia, Straßenmusiker spielen, und der Blick über den Tejo reicht bis nach Barreiro. Neben dem Aussichtsplatz gibt es einen Treppengang, den wir hinabgehen. An einem Plateau mit einem Torbogen sehen wir hier die Geschichte der Stadt als Comic - entstanden unter der Regie von Nuno Saraiva. Danach steigen wir hinab in die Rua Norberto de Araújo und gehen weiter in die Rua da Adiça.
Jetzt sind wir mitten in der Alfama. Hier verlieren wir uns in den engen Gassen, Treppen rauf und runter. In diesem Viertel hat sich die historische Struktur wie in nur wenigen Teilen der Stadt erhalten. Allerdings ist es mittlerweile sehr touristisch. Wir laufen zurück bis zur Baixa und kommen über die Rua da Madalena zur Praça da Figueira. Links davon liegt der - neben der Praça do Comércio - zweite "Salon" der Stadt: der Rossio.
Von der Praça da Figueira gehen wir durch die Rua Dom Duarte auf den Largo Martim Moniz, einem der Hauptplätze der Mouraria. Es ist das multikulturellste Viertel der Stadt und war früher aufgrund der Kriminalität verrufen. Der heutige Premierminister António Costa verlegte 2011 als damaliger Bürgermeister Lissabons seinen Amtssitz an den Intendente-Platz und machte ihn durch kulturelle Angebote für Touristen und Einheimische attraktiv. Für unser Abendprogramm bleiben wir auf dem Largo Martim Moniz. Hier kann man an kleinen Ständen eine kulinarische Weltreise machen."
Reiseführerautorin Eva Mäkler entdeckte vor über 15 Jahren ihre Liebe zu Lissabon.
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