Bundesliga-Rückrunde
Was für die Bayern spricht
Lassen wir zuerst den Experten zu Wort kommen. Lothar Matthäus hat in seiner wöchentlichen Sky-Kolumne "So sehe ich das" für die anstehende Bundesliga-Rückrunde prognostiziert: "Ich bleibe dabei, dass Dortmund das Titelrennen für sich entscheidet. Aber wenn es einer schaffen kann, sie einzuholen, dann natürlich die Bayern." Also zusammengefasst: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist. Matthäus kann sich jetzt schon gewiss sein, sich im Mai für diese gelungene Voraussage feiern lassen zu können.
Dortmund vor Bayern, Bayern vor Dortmund - darum wird es nicht nur am Abend gehen, wenn die Rückrunde mit dem Spiel der Münchner in Hoffenheim beginnt (20.30 Uhr; TV: ZDF; Liveticker SPIEGEL ONLINE), sondern auch in den kommenden Bundesliga-Monaten. Schließlich ist die sympathischste Option, dass die Frankfurter Eintracht neben dem Gewinn der Europa League auch den nationalen Titel mitnimmt, bei 15 Punkten Rückstand auf Platz eins und dem bekannten Faible der Eintracht für Rückrunden, die den Verein zuverlässig an den Rand der Abstiegszone führen, eher unwahrscheinlich. Wer jetzt auf das bei Frankfurt-Texten übliche "Stand jetzt" wartet, soll nicht enttäuscht werden. Stand jetzt.
51 Punkte sind in dieser Saison noch zu verteilen. Sechs Punkte hat der BVB den Bayern derzeit voraus. Es ist also allein nach dem Fußball-Weisen Adam Riese noch vieles möglich. Und darunter ist auch einiges, das dafür spricht, die Bayern am Ende doch wieder vorne zu sehen. 50 Jahre, nachdem der FC Bayern seine erste Bundesliga-Meisterschaft gefeiert hat. Hier sind ein paar kleine Argumentationshilfen für Bayernfans, im Walde zu pfeifen - und die haben vor allem mit der Konkurrenz zu tun:
Schwere Auswärtsspiele für den BVB
Der Spielplan zum Beispiel. Dortmund hat vier der fünf Teams, die direkt hinter dem BVB stehen, in der Hinrunde daheim zu Gast gehabt: Es gab ein 4:1 über RB Leipzig, ein 3:2 gegen die Bayern, ein 2:1 über Borussia Mönchengladbach und ein 3:1 gegen Eintracht Frankfurt. Lediglich beim Tabellenfünften VfL Wolfsburg, was sich immer noch merkwürdig liest, trat der BVB auswärts an und siegte 1:0.
Nach der Rückrundenlogik stehen daher nun die schweren Gänge an: Schon am Samstag bei RB, zwei Wochen später in Frankfurt, Anfang April geht es nach München. Am letzten Spieltag warten dann noch die Gladbacher, die bisher noch jedes Heimspiel gewonnen haben. Bis dahin sollte der BVB seine Schafe besser ins Trockene gebracht haben.
Die Hinrunde war eine einzige, nicht enden wollende Party für BVB-Fans: 4:3 gegen Augsburg in allerallerletzter Minute, der glückliche Ausgleich in Hoffenheim kurz vor dem Ende, die Last-Minute-Erfolge im DFB-Pokal, das Zurückschlagen gegen die Bayern, die rauschhafte Schlussphase in der Champions League gegen Atlético Madrid, all die Jokertore, mit denen die Einwechselspieler die Partien noch für Schwarz-Gelb entschieden - theoretisch kann das immer so weitergehen. Aber das vergangene halbe Jahr war auch ein emotionaler Kraftakt für die jungen Spieler. Niemand würde sich wundern, wenn dies auch irgendwann seinen Tribut fordert.
Wie reagiert Favre?
So wie sich auch niemand darüber wundern sollte, wie schnell der im Sommer gekommene Trainer Lucien Favre schon nach kurzer Zeit ein so erfolgreiches Team geformt hat. Es gibt nur wenige Coaches, die wie er die Gabe haben, durch Ansprache, durch Akribie, durch ein Auge für Spieler ein Team wachzuküssen, seine Möglichkeiten auszuschöpfen. Favre hat das bei Hertha BSC, bei Borussia Mönchengladbach, zuletzt auch bei OGC Nizza zu Genüge bewiesen. Ihm haftet etwas Genialisches an, das können derzeit wirklich nicht mehr viele Trainer von sich behaupten.
Der Schweizer hat aber auch in krisenhaften Situationen in der Vergangenheit erratisch, auch mutlos reagiert, das war bisher die andere Seite des Lucien Favre. Bei seinen früheren Klubs hatte er zudem eine gewisse Neigung dazu entwickelt, wichtige Saisonziele in der Schlussphase zu verspielen. Bei einem 61-Jährigen von Reifeprüfung zu sprechen, mag sich hochnäsig anhören. Allerdings ist Borussia Dortmund der erste wirkliche Topverein, den der Trainer betreut. Falls es dazu kommen wird: Wie geht Lucien Favre mit Rückschlägen beim BVB um, verfällt er in alte Muster?
Das Hauptargument pro FC Bayern ist allerdings ein anderes: Der BVB hat im Frühjahr noch mental und körperlich anstrengende Champions-League-Spiele vor sich. Die Münchner dagegen können sich ab Mitte März in Ruhe auf das Kernziel Bundesligameisterschaft konzentrieren.