Ohrfeigen-Affäre
Bei den Bayern gilt: Ribéry darf alles
Am Tag vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf äußerte sich dann auch Niko Kovac, knapp zwei Wochen nach dem Eklat von Dortmund - als Franck Ribéry nach Abpfiff den Journalisten Patrick Guillou ohrfeigte. "Der Franck hat sich entschuldigt, damit sollten wir es belassen", sagte der Bayern-Trainer. "Das ist aus der Welt geschafft. Alles soweit in Ordnung." Ob er nicht mal eine Minute daran gedacht habe, Ribéry aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader zu streichen? Oder vielleicht auch nur, um ihn vor sich selbst zu schützen? Kovac verneinte und sagte: "Das, was er privat macht oder neben dem Spielfeld, das muss ich anders bewerten als das auf dem Platz."
Und damit basta.
Der FC Bayern hat recht schnell einen dicken Schlussstrich unter die Ohrfeigen-Affäre seines französischen Altstars gesetzt. Auch Klub-Boss Karl-Heinz Rummenigge beschwichtigte am Rande eines Sponsorentermins am Donnerstagabend: "Ich kann grundsätzlich bestätigen, dass wir das auch nicht so toll fanden, was der Franck gemacht hat, aber ich denke, es war auch ein bisschen der Emotionalität geschuldet. Franck hat sich entschuldigt. Damit ist die Angelegenheit für den Journalisten erledigt." Und Rummenigge weiter: "Wir haben schon alles richtig gemacht."
Haben sie das wirklich? Darf Emotionalität schon als Rechtfertigung herhalten, wenn man einem anderen Menschen ins Gesicht schlägt? Und ganz nebenbei: Ist ein Fußballprofi nach Abpfiff noch im Stadion schon privat unterwegs?
Verschärfend hinzu kam die Meldung des "Redaktionsnetzwerks Deutschland", wonach Ribéry schon nach dem Spiel gegen Bayer Leverkusen im September gegen einen Fotografen handgreiflich geworden sein soll - wovon Kovac auf Nachfrage keine Kenntnis gehabt haben wollte. "Da bin ich überrascht. Da weiß ich nichts von."
Publikumsliebling Ribéry mag sicher noch einer der unverstellt kantigen Typen im geschliffen glatten Fußballgeschäft sein, es stellt sich trotzdem die Frage: Sind diese Eskapaden noch hinnehmbar? Und sollte der Verein da nicht einmal durchgreifen? Bei einem, der sich selbst wohl nicht mehr im Griff hat?
Ach, der Franck. Halb so wild
Der FC Bayern setzt viel daran, schnell wieder zur Tagesordnung überzugehen und den Vorfall als Bagatelle, als harmlose Episode herunterzuspielen, als sei so gar nichts gewesen. Alles nach dem Tenor: Ach, der Franck. Wir kennen ihn doch. Übertreibt halt manchmal ein bisschen. Halb so wild.
Dabei hätte der FC Bayern, der selbsternannte Hüter von Moral und Anstand, ein Zeichen setzen müssen. Keinen Monat nach der Pressebeschimpfungskonferenz der Klub-Granden, in der man sich auf Artikel 1 des Grundgesetzes und die Unantastbarkeit der Menschenwürde berief. Und in der Rummenigge sagte, "wir werden uns mit diesem Tag diese herabwürdigende, hämische, faktische Berichterstattung nicht mehr bieten lassen". Wenige Wochen später schlägt Ribéry einen kritischen Journalisten ins Gesicht.
Trotz anschließender Entschuldigung ist das eine inakzeptable Grenzüberschreitung, ohne Wenn und Aber. Eine Geldstrafe, Sozialstunden, oder gar eine interne Sperre, alles Sanktionen, die im Bereich des Möglichen und des Denkbaren gelegen hätten. Nicht aber beim FC Bayern. Und nicht bei Franck Ribéry, dem Lieblingsspieler von Uli Hoeneß, der schon immer die schützende Hand über den Franzosen legte.
Marco Reus und der fehlende Führerschein
Tatsächlich zeigt ein Rückblick auf die vergangenen Jahre, dass sich auch andere Klubs schwertun, nach einem Fehlverhalten eines Profis Konsequenzen zu ziehen.
- Als Marco Reus vor vier Jahren am Steuer erwischt wurde, obwohl er gar keinen Führerschein besaß, verzichtete Borussia Dortmund auf interne Maßnahmen.
- Ebenso ließ der Hamburger SV lange Zeit Emir Spahic ungestraft wüten. Dessen in der Kabine verteilte Ohrfeigen gegen Pierre-Michel Lasogga und Josip Drmic im Frühjahr 2016 blieben ungeahndet, erst der neue Trainer Markus Gisdol warf den Bosnier Anfang 2017 aus dem Kader. Bayer Leverkusen hatte einst schneller reagiert und feuerte Spahic wegen seiner Prügelattacken gegen Ordner nach einem Spiel gegen die Bayern 2015.
Teilweise reagieren manche Klubs und Trainer auch schnell und humorlos auf interne Regelverstöße. So warf Leipzig-Trainer Ralf Rangnick die Spieler Jean-Kévin Augustin und Nordi Mukiele jüngst aus dem Kader, weil sie kurz vor einem Spiel noch ihr Handy benutzt hatten.
Dass übrigens auch beim FC Bayern die Toleranz irgendwann ein Ende hat und durchaus durchgegriffen wird, zeigte sich 2010, als Philipp Lahm mit einer Rekordgeldbuße von - wie man hörte - mehr als 50.000 Euro bestraft wurde. Sein unentschuldbarer Fehltritt: In einem Interview hatte er die Klubführung kritisiert. Und das geht gar nicht. Denn in der Rangliste der disziplinaren Vergehen beim FC Bayern war das Allerschlimmste schon immer das Beschmutzen des eigenen Nests.
Schläge dagegen sind kostenlos.