Investoren aus China beim HSV
Das Tor zum Geld
Eine Binsenweisheit im Profifußball lautet: Je unbefriedigender die Ergebnisse, desto aktiver werden Vereine in den Transferphasen. Beim Hamburger SV gäbe es nach 15 Punkten aus 17 Spielen viele Gründe, Veränderungen am Kader vorzunehmen. Cheftrainer Markus Gisdol würde zwar gern, die Mittel dafür sind ohne fremde Hilfe jedoch begrenzt.
"Wir haben unser Budget weitestgehend ausgegeben", sagte Vorstandschef Heribert Bruchhagen kürzlich beim Neujahrsempfang der Zeitung "Hamburger Abendblatt". Erst durch den Verkauf eines Spielers, zum Beispiel des abwanderungswilligen Brasilianers Walace, könnte Gisdol noch mal auf dem Transfermarkt zuschlagen.
Die Hilfe ihres Mäzens und wichtigsten Gesellschafters Klaus-Michael Kühne wollen die Entscheidungsträger beim HSV aber momentan nicht in Anspruch nehmen. Zwischen Vorstand und großen Teilen des noch amtierenden Aufsichtsrats herrscht Einigkeit darüber, dass sich der HSV aus der Abhängigkeit des Logistik-Milliardärs lösen muss. Sein Einfluss auf das operative Geschäft, die enge Verbindung zum Spielerberater Volker Struth und seine öffentlichen Statements über Spieler oder Angestellte stoßen innerhalb des Klubs auf immer größeren Widerstand.
Schanghai statt Kühne
Vereinspräsident Jens Meier, der sich nach der Zusammenstellung des demnächst neu zu wählenden Aufsichtsrats großen Ärger von Kühne einhandelte, weil die Zusammensetzung des Gremiums nicht den Vorstellungen des Mäzens entsprach, ist gemeinsam mit Finanzvorstand Frank Wettstein auf der Suche nach einer Lösung. Dabei sind sie offenbar in China fündig geworden. Nach Informationen des SPIEGEL stehen die Hamburger in Verhandlungen mit dem chinesischen Unternehmen SIPG (Shanghai International Port Group).
Mit der Hafenbetriebsgesellschaft aus Hamburgs Partnerstadt kooperiert der HSV bereits seit 2016. Das umfasste auch die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Vizemeister Shanghai SIPG, der dem Unternehmen bereits gehört. Für Beratung beim Aufbau von Strukturen im Nachwuchs- und Managementbereich erhalten die Hamburger bis 2018 fünf Millionen Euro.
Im Sommer endet der Vertrag mit SIPG. In den aktuellen Gesprächen geht es aber um mehr als Consulting-Dienstleistungen: Ein umfangreicheres Investment, zum Beispiel in Form einer zehnprozentigen Beteiligung an der ausgegliederten HSV Fußball AG, wird verhandelt. Theoretisch könnte der HSV dadurch etwa 30 Millionen Euro einnehmen.
Die Mitglieder haben das letzte Wort - theoretisch
Praktisch steht ohne Zustimmung der Mitglieder allerdings nur noch ein Prozent zum freien Verkauf. Eine sogenannte Kapitalerhöhung (Ausgabe neuer Aktien), die zur Folge hätte, dass der Stimmenanteil des Mutterunternehmens HSV e.V. unter 75 Prozent sinkt, kann laut Vereinssatzung nicht ohne Beschluss der Mitgliederversammlung durchgeführt werden.
Juristisch wird es an dieser Stelle ein wenig komplizierter: Die HSV Fußball AG ist eine Aktiengesellschaft und unterliegt dem deutschen Aktiengesetz, nicht dem Vereinsrecht. Die Komplettausnutzung des in ihrer Satzung festgelegten "genehmigten" Kapitals mittels Kapitalerhöhung würde zur Folge haben, dass 33,3 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG nicht beim HSV e.V. lägen.
Die Genehmigung dazu haben die Vereinsmitglieder im Mai 2014 bei der Abstimmung über das Ausgliederungskonzept "HSVPlus" übrigens selbst erteilt - die meisten unter ihnen wahrscheinlich, ohne es zu wissen. Doch alle Gremien betonen trotz der eindeutigen Rechtslage, diesen strukturellen Webfehler bei der Gestaltung der Satzung nicht ausnutzen zu wollen. Eine mögliche Lösung könnte deshalb beinhalten, dass der HSV Kühnes Anteile (derzeit 20,58 Prozent) teilweise oder vollständig zurück- und später an die Chinesen zu einem (im Idealfall) deutlich höheren Preis weiterverkauft.
Gibt Kühne freiwillig auf?
Vorausgesetzt, Kühne akzeptiert seinen Ausstieg. Details eines möglichen Investments - auch ein Sponsoring käme in Frage - wollen die Verantwortlichen in den nächsten Monaten klären. Mit einem baldigen Abschluss der Gespräche ist daher nicht zu rechnen.
Finanzvorstand Wettstein, der den Partnern in Fernost kürzlich einen Besuch abstattete, und Vereinspräsident Meier sind dennoch zuversichtlich, schon bald einen neuen strategischen Investor präsentieren zu können. Der Geschäftsführer der Hamburg Port Authority (HPA), so etwas wie das Hamburger Pendant zu SIPG, ist beruflich häufig in Schanghai und pflegt auch aufgrund der Städtepartnerschaft gute Kontakte zu den Chefs des zweitgrößten Hafens der Welt.
In der chinesischen Super League ist es SIPG mithilfe enormer Investitionen gelungen, aus einem Aufsteiger einen Meisterschaftskandidaten zu formen. Ob dieses Modell in die Bundesliga übertragbar ist, lässt sich nur schwer voraussagen. Der HSV jedenfalls würde sich bei ausbleibenden Erfolgen von einer Abhängigkeit in die nächste stürzen. Von der jetzigen Konstellation haben viele Entscheidungsträger aber offenbar genug.