Manchester Citys Meisterschaft
Noch eine Chance
Im Grunde war seit Monaten klar, dass Manchester City die Meisterschaft in England holen würde. Passend zu dieser Langeweile an der Spitze der Premier League machten die Citizens den Titelgewinn ohne eigenes Zutun perfekt: Lokalrivale Manchester United verlor am Sonntag gegen den Tabellenletzten West Bromwich Albion und so wuchs Citys Vorsprung fünf Spieltage vor Ende der Saison auf uneinholbare 16 Punkte an.
Der englische Meister steuert in dieser Saison einen Punkt- und Torrekord an, außerdem kann die Mannschaft die Bestmarken für die meisten Siege und den größten Abstand auf den Tabellenzweiten neu definieren. Die dritte Meisterschaft seit der Übernahme durch Scheich Mansour vor zehn Jahren ist die überlegenste, die verdienteste.
Und sie ist ein Triumph für Pep Guardiola. Weil die Fachleute der Meinung waren, er müsse sich anpassen. Weil sie ihm nicht zugetraut hatten, im rauen England mit Barcelona-Fußball Erfolg zu haben. Sie lagen daneben. Er hat die Premier League in seinem zweiten Jahr nicht einfach nur gewonnen. Er hat sie mit seinen Methoden erobert.
Natürlich, Guardiola hat zu diesem Zweck sehr viel Geld zur Verfügung. Seit seiner Ankunft in England hat er angeblich mehr als eine halbe Milliarde Euro für neues Personal ausgegeben. Der Titel wäre ohne diese Investitionen nicht möglich gewesen. Der Trainer hat mehrfach betont, dass er aufgrund der finanziellen Möglichkeiten bei seinem Arbeitgeber ein "lucky guy" sei, ein glücklicher Kerl. Doch es wäre zu einfach, die Meisterschaft nur mit Geld zu erklären.
Guardiola hat keine international erprobten Top-Stars gekauft. Keinen Paul Pogba, keinen Neymar, natürlich keinen Messi. Stattdessen importierte er Profis, die seiner Meinung nach für sein System nötig sind. Den spielstarken Torwart Ederson, die schnellen Außenverteidiger Kyle Walker und Benjamin Mendy oder den ehemaligen Schalker Leroy Sané.
Außerdem haben sich viele Spieler in Citys Team erstaunlich weiterentwickelt. Der zuvor eher anfällige Innenverteidiger Nicolás Otamendi hat die meisten Pässe von allen Spielern in der Premier League gespielt. Mittelfeld-Veteran David Silva spielt den vielleicht besten Fußball seiner Karriere, und das trotz privater Probleme - sein Sohn kam im Dezember deutlich zu früh zur Welt. Kevin De Bruyne spielt ziemlich sicher den besten Fußball seiner Karriere und ist der beste Vorbereiter der Liga.
Guardiola hat viele Spieler besser gemacht. Dadurch ist auch die Mannschaft besser geworden. Oder umgekehrt?
Das Team hat seine Idee vom Fußball verinnerlicht und setzt sie fast perfekt um. Sie hat im Schnitt mehr als 70 Prozent Ballbesitz, eröffnet das Spiel von hinten, beschleunigt es über Pässe auf die Läufer auf den Flügeln, die den Ball dann wiederum in die Mitte geben, wo nur noch vollendet werden muss. Um auf einer Stufe mit Manchester Uniteds Triple-Siegern von 1999 oder den Invincibles des FC Arsenal von 2004 zu stehen, fehlt aber noch ein Stück.
Auf Citys Saison liegt ein Schatten
Denn das Aus im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool und auch die Niederlage im Derby gegen United am Wochenende vor dem Titelgewinn haben gezeigt, dass die Mannschaft den Zustand der Unantastbarkeit noch nicht erreicht hat. Das Team verlor in diesen Spielen die Kontrolle und wusste nicht, wie es damit umgehen sollte.
Das frühe Scheitern im Europapokal wirft einen Schatten auf Citys Saison. Das Ziel der Klubbesitzer aus Abu Dhabi ist internationaler Ruhm. Zu diesem Zweck haben sie Guardiola geholt. Durch den überragenden Gewinn der Meisterschaft - und den Sieg im Ligapokal - fällt die Gesamtbilanz durchaus positiv aus. Doch in der kommenden Spielzeit soll es für City in der Champions League endlich zum Titel reichen. Zumal es Guardiolas letzte Chance sein könnte.
Der Trainer ist nicht für langfristige Bindungen bekannt. Den FC Barcelona, seinen Heimatklub, betreute er vier Jahre, wobei er die letzte Saison im Nachhinein als Fehler bezeichnet. Beim FC Bayern zog er nach drei Jahren weiter. Auch sein Vertrag in Manchester gilt für drei Jahre und läuft am Ende der kommenden Saison aus. Der Klub würde die Zusammenarbeit gerne verlängern, doch Guardiola hat sich noch nicht entschieden.
Die nationale Konkurrenz wird alles versuchen, den Abstand auf City zu verkürzen. Doch wie erfolgreich diese Versuche sein werden, ist fraglich. Manchester United war schon in dieser Spielzeit trotz der 100-Millionen-Euro-Verpflichtung von Angreifer Romelu Lukaku nur die schlechte Kopie eines Verfolgers. Liverpool kann zu großen Leistungen auflaufen, wie in der Champions League zu sehen war, hat aber noch nicht die nötige Konstanz. Beim FC Chelsea steht das Aus von Trainer Antonio Conte und damit wieder einmal ein Neuanfang bevor. Und Tottenham Hotspur fürchtet den Weggang von Erfolgs-Baumeister Mauricio Pochettino.
Citys Kapitän Vincent Kompany, der Uniteds Niederlage im Kreise der Familie seiner Frau anschaute und wenig später in einem Pub mit Kyle Walker, Fabian Delph und einigen City-Fans feierte, richtete den Blick in der Stunde des Erfolgs schon wieder nach vorne. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns, bis wir das ganze Potenzial dieser Mannschaft entfaltet haben", sagte er im Sky-Interview. Das Team kann noch besser werden, es kann sich immer noch entwickeln, das meinte er damit.
Die Chancen stehen gut, dass Manchester City auch in der kommenden Saison die Liga dominiert. Doch was für den Klub künftig noch mehr zählt als alles andere, ist die Champions League.
Im Video - wie Manchester City den Titel feiert: