Ufa-Filmstar Henny Porten
Von Hitler verehrt, von Goebbels kaltgestellt
Blond, mütterlich, standhaft - Henny Porten war der erste deutsche Star beim Ufa-Start 1917. Ein Propagandapüppchen wollte sie nicht sein. Die Nazis hofierten und demütigten die Schauspielerin gleichermaßen.
Montag, 18.12.2017
11:07 Uhr
Warum bloß hört nie einer auf die Dichter? "Man mache Henny Porten zum Reichspräsidenten!", forderte der Schriftsteller Kurt Pinthus 1921 in einem Aufsatz. Gleich fünfmal wiederholte er seinen Wunsch:
"Hier ist eine Gestalt, die in Deutschland volkstümlicher ist als der alte Fritz, als der olympische Goethe es je waren und sein konnten. Hier ist eine Gestalt, die bei den Angehörigen aller Parteien, bei Jung und Alt, in allen Ständen und Schichten gleichermaßen bekannt und beliebt ist."
Als "Symbol der Tugendsamkeit", als "Vereinigung von Gretchen und Germania" pries Pinthus die Schauspielerin - doch sein Appell fand kein Gehör. Nicht Henny Frieda Ulricke Porten, sondern Paul von Hindenburg wurde nächster Reichspräsident und verhalf Adolf Hitler zur Macht, der Leid über die ganze Welt brachte. Porten blieb dort, wo sie war: vor der Kamera.
"Ich will von Politik nichts wissen. Ich will ein Frauen- und Mutterschicksal zeigen. Nichts weiter", sagte sie über ihren Königin-Luise-Film. Die Monarchin als ideale deutsche Frau: Aufopfernd, schicksalsergeben, mütterlich. Wie keine zweite verkörperte die blonde, leicht üppige Henny Porten dieses - heute schwer erträgliche - Rollenideal. Und wurde dafür vom Kinopublikum wie eine Göttin verehrt.
Henny Porten ist nahezu in Vergessenheit geraten. Dabei war sie einst neben der Dänin Asta Nielsen die Primadonna des frühen deutschen Films - und der erste Star der vor 100 Jahren gegründeten Universum Film AG (Ufa). Die Militärs hatten der neuen Firma eine klare Rolle zugedacht: patriotische Propaganda im Ersten Weltkrieg.
Film als Waffe
"Der Krieg hat die überragende Macht des Bildes und Films als Aufklärungs- und Beeinflussungsmittel gezeigt", schrieb General Erich Ludendorff am 4. Juli 1917 in einer Denkschrift an das Kriegsministerium. Weil der Feind auf diesem Gebiet die Nase vorn habe, sei den Deutschen "schwerer Schaden" entstanden. Daher forderte Ludendorff die "Vereinheitlichung der deutschen Filmindustrie". Ziel: "eine planmäßige und nachdrückliche Beeinflussung der großen Massen im staatlichen Interesse".
Fünf Monate später wurde am 18. Dezember 1917 Europas größte Filmgesellschaft mit dem gigantomanischen Namen "Universum" gegründet. Das Startkapital stammte zum Großteil von der Deutschen Bank und betrug 25 Millionen Mark. Genug Geld, um die Messter Film GmbH aufzukaufen - deren wichtigstes Zugpferd Henny Porten hieß.
Seit ihrem 16. Lebensjahr stand die 1890 geborene Schauspielerin vor der Kamera, mimte mit ihrer Schwester Rosa Meißner-Porzellanfiguren, stellte in stummen Dreiminütern berühmte Opernszenen nach. Die Filme wurden länger, Portens Popularität wuchs - 1914 rühmte sie die Zeitschrift "Kunst und Kino" als "beste deutsche Kinodarstellerin".
"Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", sang im Ufa-Film "Der blaue Engel" Marlene Dietrich (1901-1992) - und war mit einem Schlag weltbekannt. Statt in Deutschland zu bleiben, verließ sie noch am Premierenabend 1930 ihre Heimat, um in Hollywood Karriere zu machen. Dort entstanden Filmklassiker wie "Marokko" (1930), "Shanghai-Express" und "Blonde Venus" (beide 1932). Mehrfach versuchte Goebbels, sie zur Rückkehr nach Deutschland zu bewegen, was Dietrich jedoch ablehnte. - Als Kind war sie übrigens großer Henny-Porten-Groupie, überraschte den Star zum Geburtstag mit einem Geigenständchen, schickte Cremeschnitten und ein selbstbesticktes Gobelinkissen.
"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n", hauchte mit rauchiger Stimme die Schwedin Zarah Leander (1907-1981) - und die ganze Welt hing an ihren Lippen. Hollywood und Deutschland umgarnten sie gleichermaßen. 1936 nahm Leander ein Ufa-Angebot der Ufa an und sollte als Konkurrenz zu den internationalen Kino-Diven Marlene Dietrich und Greta Garbo aufgebaut werden. Zu ihren großen Erfolgen zählten "Zu neuen Ufern" (1937), "Es war eine rauschende Ballnacht" (1939) und "Die große Liebe" (1941/42). Die deutsche Staatsbürgerschaft nahm Zarah Leander nie an, verließ 1943 Nazi-Deutschland und ging nach Schweden.
Der Dämonische: Er brillierte als mordendes Medium Cesare in "Das Kabinett des Dr. Caligari" (1920) - Conrad Veidt (1893-1943) verkörperte zu Beginn seiner Karriere vor allem teuflische Gestalten und gespaltene Persönlichkeiten. Er gehörte in den Zwanzigern neben Emil Jannings zu den bestbezahlten deutschen Filmstars. 1926 bis 1929 arbeitete Veidt in Hollywood. Da er mit einer Jüdin verheiratet war, ging er 1933 nach England und 1940 erneut nach Hollywood.
Die Geliebte des Teufels: In Ufa-Filmen verkörperte die tschechische Schauspielerin Lída Baroová (1914-2000) vor allem den Typ exotische Herzensbrecherin. Sie wirkte ab 1934 in Filmen wie "Barcarole", "Einer zuviel an Bord" und "Verräter" mit. 1936 begann sie eine Affäre mit Nazi-Einpeitscher Joseph Goebbels, der sogar bereit war, sich scheiden zu lassen. Bevor es dazu kam, beendete Hitler per Machtwort die Liaison. Baroová erhielt Berufsverbot, flüchtete in ihre Heimat und von dort nach Italien. Nach Kriegsende wurde sie der Kollaboration bezichtigt und kam für 18 Monate ins Gefängnis. Das Szenenfoto von 1937 zeigt sie im Film "Patrioten".
Der Lügenbaron: 1942 feierte die Ufa ihr 25-jähriges Jubiläum und setzte sich mit der aufwändigen Agfacolor-Produktion "Münchhausen" selbst ein Denkmal. In der Hauptrolle: Hans Albers (1891-1960) auf der fliegenden Kanonenkugel. Der Schauspieler war laut Filmhistoriker Friedemann Beyer der "prominenteste, bestdotierte Mitarbeiter", den die Ufa je hatte. Wie Henny Porten liebte auch Hans Albers einen Menschen jüdischer Abstammung: die Schauspielerin Hansi Burg. Um im NS-Staat nicht weiter unter Druck zu geraten, trennte sich Albers - zumindest offiziell - von ihr. Heimlich blieb er jedoch weiter mit Burg zusammen.
Zum Kaffeekränzchen bei Hitler: "Ihr Kapital war ihre Schönheit", schrieb der SPIEGEL über Ufa-Star Martha Seubert, bekannt unter ihrem Künstlernamen Lil Dagover (1887-1980). Sie spielte in Filmen wie "Tartüff" (1926), "Die Kreutzersonate" (1937) und "Friedrich Schiller" (1940). Lil Dagover erfreute sich der besonderen Gunst Adolf Hitlers, der sie laut SPIEGEL zum "Kaffeekränzchen" einlud und zur Staatsschauspielerin ernannte. Das Foto zeigt sie im Film "Es gibt eine Frau, die Dich niemals vergisst" (1930).
Der Wuchtige: Er war der männliche Ufa-Star der Zwanzigerjahre - Emil Jannings (1884-1950), hier als "Mephisto" in "Faust" (1926) von Regisseur Murnau. Jannings verkörperte vor allem Herrscher und heroische Führergestalten wie Heinrich VIII. oder Kaiser Nero. Da er zu schlecht Englisch sprach, konnte Jannings nach Einführung des Tonfilms in Hollywood nicht durchstarten. Er ging zurück nach Deutschland, wo er 1930 an der Seite von Marlene Dietrich im Film "Der blaue Engel" spielte. Im Dritten Reich stieg Jannings laut Filmhistoriker Friedemann Beyer zu einem der "obersten Repräsentanten des NS-Kinos" auf.
Skandalumwittert: "Vamp von Berlin" wurde ihr Spitzname. 1920 zog die gebürtige Ungarin Lya de Putti nach Berlin und debütierte mit "Zigeunerblut" im deutschen Film. Erich Kästner verspottete sie, ihr Landsmann Bela Balazs nannte sie "unbegabt". Doch die Leser der "Neuen Illustrierten Filmwoche" wählten sie 1924 zur beliebtesten Schauspielerin, noch vor Henny Porten, Lil Dagover und Asta Nielsen. Lya de Puttis größter Erfolg war die Ufa-Produktion "Varieté" (1925). Ihr ungarischer Akzent verhinderte eine Karriere beim deutschen Tonfilm. 1931 verschluckte Lya de Putti beim Essen einen Hühnerknochen und starb mit erst 34 Jahren.
"Jud Süß": Seine umstrittenste Rolle - Ferdinand Marian (1902-1946) als "Joseph Süß Oppenheimer" im antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß" von Veit Harlan (1940). Er weigerte sich zunächst, den Part zu übernehmen, wurde aber von Goebbels dazu gedrängt. Seinen Durchbruch hatte Marian als Frauenheld in "Madame Bovary" (1937) geschafft und verkörperte vor allem Gauner, Halunken, Außenseiter. Wegen seiner Mitwirkung in "Jud Süß" erhielt Ferdinand Marian nach dem Krieg lebenslanges Berufsverbot von den Alliierten. Das Foto zeigt ihn als "Don Pedro" in "La Habanera" (1937).
"Süßestes Mädel der Welt", lautete einer der Spitznamen von Lilian Harvey (1906-1968). Sie stand bei der Ufa ab 1928 unter Vertrag und drehte mit ihrem Filmpartner Willy Fritsch elf Unterhaltungsfilme, darunter "Die drei von der Tankstelle" (1930), "Der Kongress tanzt" (1931) und "Ein blonder Traum" (1932, Szenenfoto). Nach drei Jahren in Hollywood kehrte sie 1935 nach Deutschland zurück, wo sie erneut Ufa-Filme mit Willy Fritsch drehte. Weil Harvey dem jüdischen Choreographen zur Flucht in die Schweiz verhalf, wurde sie von der Gestapo vernommen, galt als unzuverlässig. Lilian Harvey emigrierte 1939 nach Frankreich und ging dann erneut in die USA. Nach 1945 versuchte sie in Frankreich vergeblich ein Comeback.
"Da stelle mer uns mal janz dumm": In der Filmkomödie "Die Feuerzangenbowle" spielte er sich 1944 als Lehrer Dr. Johannes Pfeiffer (mit drei f) in die Herzen der Zuschauer - Heinz Rühmann (1902-1994), berühmt durch Filme wie "Die drei von der Tankstelle", "Paradies der Junggesellen" und "Quax, der Bruchpilot". Wie Hans Albers war Rühmann mit einer Jüdin liiert. Um nicht weiter schikaniert zu werden, stimmte der Schauspieler einer Scheidung zu - seine Frau Maria Bernheim emigrierte. Zwar verboten ihm die Alliierten nach 1945 vorübergehend die Filmarbeit. Dennoch gehörte Rühmann zu den großen Ufa-Stars, die nach dem Krieg an ihre alten Erfolge anknüpfen konnte.
Starke Frau: Ob Mutter Courage oder Libussa, Maria Stuart oder Cleopatra - die Theater- und Filmschauspielerin Hilde Krahl (1917-1999) verkörperte mit Vorliebe dominante Damen. Seit 1938 in Berlin, wurde die Österreicherin als "Dunja" in der Puschkin-Verfilmung "Der Postmeister" (1940) berühmt. Krahl war verheiratet mit dem Ufa-Regisseur Wolfgang Liebeneiner und prägte bis zuletzt das Kino im Dritten Reich - mit Filmen wie "Großstadtmelodie" (1942/43), "Träumerei" und dem bis zum 16. April 1945 gedrehten Durchhaltefilm "Das Leben geht weiter" (1945). Hier ist sie zu sehen in "Serenade" (1937).
"Tanz auf dem Vulkan": In diesem Film von 1938 brillierte Gustaf Gründgens (1899-1963) in der Rolle des Schauspielers Debureau. Seine größte Rolle war die des "Mephisto", die er mehr als 350 Mal im Theater verkörperte. Auch NS-Luftwaffenchef Hermann Göring war von diesem "Mephisto" begeistert - und bot Gründgens die Intendanz des Preußischen Staatstheaters an. Weil er bei den Nazis Karriere machte und in Propagandafilmen wie "Ohm Krüger" (19410/41) mitspielte, beschrieb ihn Schriftsteller Klaus Mann in seinem Roman "Mephisto" von 1936 als skrupellosen Mitläufer.
Die Knäbin: Sie gab die Abenteurerin in den Tropen, den Soldaten im preußischen Freikorps, die Atlantik-Fliegerin - die maskulin-herbe Schönheit Marianne Hoppe (1911-2002) schlüpfte in ihren frühen Filmen häufig in Jungs-Rollen. 1934 wirkte sie in der Verfilmung des "Schimmelreiter" mit, zwei Jahre später heiratete sie Gustaf Gründgens (Foto), was das bisexuelle Paar vor Verfolgung durch das NS-Regime schützte. Zu ihren wichtigsten Filmen zählen "Capriolen" (1937), "Romanze in Moll" (1943) sowie die Effi-Briest-Verfilmung "Der Schritt vom Wege" (1939). Ihre Rolle als Ufa-Star im Dritten Reich bezeichnete Hoppe in einem Interview einmal als "schwarze Seiten meines Poesiealbums".
"Karneval der Liebe": So hieß der Revuefilm von 1943, in dem Johannes Heesters (1903-2011) als Tenor Peter Hansen mitten im Krieg harmlose Normalität herbeiträllert. Die Ufa besetzte den gebürtigen Niederländer vor allem in Operettenfilmen; er spielte etwa in "Der Bettelstudent" (1936), "Gasparone" (1937) und "Die Fledermaus" (1944). Wegen seiner Karriere in Nazi-Deutschland boykottierten niederländische Bühnen Heesters nach dem Krieg jahrzehntelang. Erst 2008 durfte er - inzwischen 104-jährig - in seiner Geburtsstadt Amersfoort auftreten.
Reichswasserleiche: Keiner ertrank so schön wie sie - die schwedische Schauspielerin Kristina Söderbaum (1912-2001) ging in ihren Filmen gern ins Wasser, was ihr den Spitznamen "Reichswasserleiche" einbrachte. Als Ehefrau von NS-Filmregisseur Veit Harlan mimte Söderbaum häufig die Vorzeige-Arierin, wie etwa in den Propagandastreifen "Jud Süß" (1940) und "Kolberg" (1945). Oft verkörperte Hitlers liebste Schwedin auch die naive Kindfrau ("Jugend" von 1937 und "Immensee" von 1943). Nach dem Krieg versuchte Söderbaum an der Seite ihres Mannes vergeblich ein Comeback, nach seinem Tod wurde sie Fotografin. Die Aufnahme zeigt Söderbaum an der Seite von Raimund Schelcher in "Das unsterbliche Herz" (1939).
Ewiger Charmeur: Als "Sunnyboy der Ufa" eroberte Willy Fritsch (1901-1973) die Herzen der Kinogängerinnen, seit er 1921 im Stummfilm "Miss Venus" mitwirkte. Niemand lächelte so strahlend, niemand war so ausdauernd gut gelaunt. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören "Die drei von der Tankstelle" (1930), "Der Kongress tanzt" (1931) und "Ein blonder Traum" (1931). Das Szenenfoto zeigt ihn in der Ganovenkomödie "Einbrecher" von 1930.
Femme Fatale: Die gebürtige Polin Barbara Apolonia Chalupec (1894-1987) kam 1917 nach Deutschland, wo sie unter ihrem Künstlernamen Pola Negri zum Kinostar avancierte. Regisseur Ernst Lubitsch besetzte sie in seinen Filmen als Femme Fatale, bevor sie mit "Madame Dubarry" (1919) ihren internationalen Durchbruch schaffte. Pola Negri siedelte nach Hollywood über (Studio-Aufnahme von 1925), bekam jedoch wegen ihres polnischen Akzents beim Tonfilm Probleme und kehrte nach Deutschland zurück, wo sie in Mazurka" (1935) mitwirkte. 1939 kehrte Negri Deutschland endgültig den Rücken, ging erst nach Frankreich und dann in die USA, wo sie nach dem Krieg als Immobilienmaklerin tätig war.
Der Adelige: Gern mimte Georg Alexander (1888-1945) einen vornehmen Herren - der Schauspieler wirkte in Filmen wie "Die Frau ohne Namen" (1926/27), "Die englische Heirat" (1934) und "Ein idealer Gatte" (1935) mit. Im Dritten Reich gehörte er nicht mehr zur ersten Riege der männlichen Stars; 1939 war er im antisemitischen Hetzfilm "Leinen aus Irland" zu sehen. Das Foto stammt aus dem Film "Die Bräutigamswitwe" (1931) und zeigt Alexander an der Seite von Martha Eggerth.
"Das Cabinet des Dr. Caligari": Der expressionistische Stummfilm von 1920 verhalf Werner Krauß (1884-1959) zum Durchbruch - er verkörperte die Hauptrolle des dämonischen Arztes und Schaustellers. Auch in anderen großen Filmen der Zwanzigerjahre wie "Die freudlose Gasse" (1925) und "Der Student von Prag" (1926) wirkte Krauß mit. Weil er im Hetzfilm "Jud Süß" (1940) gleich fünf jüdische Charaktere spielte, war Krauß nach dem Krieg umstritten und zeitweise mit Berufsverbot belegt.
"Die Sünderin": Die Ufa ging unter, ihr Stern ging auf - Hildegard Knef (1925-2002) debütierte in den 1944/45 gedrehten Filmen "Die Brüder Noltenius" und "Fahrt ins Glück", als der Krieg schon fast vorbei war. Danach arbeitete sie für die ostdeutsche Defa. Zur wichtigsten Protagonistin des deutschen Nachkriegskinos machten sie Filme wie "Die Mörder sind unter uns" (1946), "Zwischen gestern und morgen" (1947), vor allem aber "Die Sünderin" (1951) - höchst umstritten wegen angeblicher "Entsittlichung" und einer einsekündigen Nacktszene. Das Foto zeigt Knef im Jahr 1952.
Der Künstler: Ob Schauspieler, Musiker oder Komponist - Will Quadflieg (1904-2003) mimte in seinen Filmen häufig einen jungen Kreativen, hier als Violinist Andreas Halm in "Die Zaubergeige" (1944). Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich Quadflieg aufs Theater. Bis heute berühmt ist er vor allem für seine Titelrolle in "Faust" (1960), der Verfilmung einer Gustaf-Gründgens-Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus.
Die Lebenslustige: Laut und aufgekratzt, lebenslustig und burschikos - Ossi Oswalda (1897-1947) verkörperte im deutschen Film erst den Backfisch, dann das mondäne Berliner Girl. Bei der Ufa spielte sie in Filmen wie "Blitzzug der Liebe" (1925), "Die Fahrt ins Abenteuer" (1926, Szenenfoto) und "Ossi hat die Hosen an" (1928). Anders als Henny Porten scheiterte der Stummfilmstar Ossi Oswalda beim Übergang zum Tonfilm.
Der Koloss: Er war der Wächter im millionenschweren Ufa-Flop "Metropolis" (1927) und spielte den "Franz Biberkopf" in Phil Jutzis "Berlin - Alexanderplatz" (1931) - Heinrich George (1892-1946), Vater des "Schimanski"-Darstellers Götz George. Der massige Schauspieler wurde unter den Nazis Generalintendant der Berliner Bühnen und wirkte in NS-Propagandafilmen wie "Hitlerjunge Quex" (1933), "Jud Süß" (1940) und "Kolberg" (1945) mit. Nach Kriegsende wurde er von den Sowjets verhaftet und im ehemaligen KZ Sachsenhausen interniert, wo er an den Folgen einer Blinddarmentzündung starb. Auf dem Szenenfoto ist er im Film "Heimat" (1938) zu sehen.
Die Strahlefrau: Sie sang und tanzte, was das Zeug hielt - Ufa-Star Marika Rökk (1913-2004) war eine der populärsten Gute-Laune-Filmstars im Dritten Reich. An der Seite von Schauspielern wie Johannes Heesters und Willy Fritsch drehte sie Filme wie "Gasparone", "Hallo, Janine" oder "Es war eine rauschende Ballnacht". 1941 spielte sie die Hauptrolle im ersten deutschen Farbfilm "Frauen sind doch die besseren Diplomaten". Nachdem die gebürtige Ungarin nach dem Krieg kurzzeitig mit Auftrittsverbot belegt worden war, konnte Rökk Anfang der Fünfzigerjahre mit Filmen wie "Die Csàrdàsfürstin" und "Maske in Blau" an ihre alten Erfolge anknüpfen.
Der Gipfelstürmer: Ob "Der heilige Berg (1926), "Der Kampf ums Matterhorn" (1932) oder "Der Berg ruft" (Szenenfoto) - Luis Trenker (1892-1990) erklomm in fast all seinen Filmen lichte Höhen, ließ sich den Wind um die Nase pusten, kämpfte mit Schnee und Eis. Zwar trat Trenker 1933 der nationalsozialistischen Reichsfachschaft Film und 1940 auch der NSDAP bei, überwarf sich aber später mit Goebbels und zog 1942 nach Italien. Erst in den Fünfzigerjahren kehrte er nach Deutschland zurück und drehte am Ende seiner Karriere überwiegend Alpen-Dokus.
"Durchhaltemieze": Diesen Stempel bekam Ilse Werner (1921-2005) nach Kriegsende aufgedrückt, weil sie im Dritten Reich zu großer Popularität gelangt war - mit Filmen wie "Wunschkonzert" (1940), "Wir machen Musik" (1942, Szenenfoto) und "Große Freiheit Nr. 7" (1943). Ilse Werner zog 1948 nach Kalifornien, kehrte in den Fünfzigerjahren jedoch nach Deutschland zurück, wo sie auch im Fernsehen präsent war. Unvergessen: ihre TV-Show "Eine Frau mit Pfiff" im ZDF 1967.
Der näselnde Schlaks: Sein Markenzeichen war der akkurat gezogene Mittelscheitel - Theo Lingen (1903-1978) brillierte vor allem in komischen Rollen ("Meine Frau, die Hochstaplerin" von 1931, "Ein toller Einfall" von 1932, "Was wird hier gespielt" von 1940). Anders als etwa Rühmann lehnte es Lingen ab, sich von seiner "nicht-arischen" Ehefrau Marianne Zoff scheiden zu lassen. das Bild zeigt ihn im Film "Es leuchten die Sterne" von 1938.
Die "Grande Dame": Sie genoss das Privileg eines eigenen Pkw, als die Privatbevölkerung längst kein Auto mehr fahren durfte - Filmdiva Olga Tschechowa (1897-1980) stand bei Adolf Hitler besonders hoch in der Gunst. Im Dritten Reich wirkte sie in Dutzenden Filmen mit, darunter "Zwei Frauen" (1938), "Bel Ami" (1939) und "Gefährlicher Frühling" (1943). Das Foto zeigt sie in "Maskerade" (1934) an der Seite von Peter Petersen.
Schauspielernder Soldat: Berühmt wurde er als Unternehmersohn Freder Fredersen in "Metropolis" (1927) von Regisseur Fritz Lang - Gustav Fröhlich (1902-1987) gab Anfang der Dreißigerjahre häufig den Verführer und Lebemann, bevor er im Dritten Reich vor allem solide Vorzeigemänner verkörperte. Der Schauspieler war liiert mit der tschechischen Ufa-Diva Lída Baarová - bis Goebbels ihm die Frau ausspannte. Während des Zweiten Weltkriegs war Fröhlich nicht von der Wehrmacht freigestellt, sondern musste 1941 für 18 Monate in einem Posener Landschützen-Regiment dienen. Fröhlich galt neben Hans Albers, Willy Fritsch und Heinz Rühmann als prominentester männlicher Star des NS-Kinos. Das Szenenfoto zeigt ihn in "Heimkehr" von 1928. - Mehr Informationen zu den Ufa-Stars bietet das Buch von Friedemann Beyer: Die Gesichter der Ufa. Starportraits einer Epoche (1992).
Während des Ersten Weltkriegs eroberte Porten endgültig die Herzen der Deutschen: Aus den Schützengräben erhielt sie Wäschekörbe voller Fanpost, Frontkinos trugen ihren Namen, sterbende Soldaten sollen ihr das Eiserne Kreuz vererbt haben. Als Portens erster Mann 1916 fiel, drehte sie einen Film nach dem anderen. Mit dem Werbekurzfilm "Hann, Hein und Henny" (1917) motivierte sie die Deutschen zum Kauf von Kriegsanleihen.
Niemand taugte zur Zeit der Ufa-Gründung besser zur nationalen Ikone, niemand hätte den Durchhaltewillen der Deutschen effektiver anfachen können als Porten. Einziges Problem: Der Stummfilmstar hatte gar keine Lust, einer von Militärs kontrollierten Firma zu dienen, wie sie 1958 der "Neuen Illustrierten" erzählte.
Der General flippt aus
Ihre Sorge, als Propagandapüppchen benutzt zu werden, stellte sich als unbegründet heraus. Der Krieg war schneller verloren, als die Kameramänner drehen konnten. Zudem interessierten sich die Entscheider bei der Ufa, anders als die Militärs, gar nicht für vaterländische Durchhaltefilmchen. Sie wollten Geld verdienen, die Menschen unterhalten, es mit der Traumfabrik Hollywood aufnehmen.
Als Ludendorff 1918 die Ufa-Produktionslisten vorgelegt wurden, erlitt der General, so die Legende, einen Tobsuchtsanfall. Was ihm nichts nützte: Zur veritablen Propagandamaschine sollte die Ufa erst im "Dritten Reich" werden.
Bis dahin setzten die Konzernchefs auf zugkräftige Stars und Herz-Schmerz-Kino, aber auch auf ambitionierte Projekte. Ob Literaturverfilmungen wie Gerhart Hauptmanns Drama "Rose Bernd" (1919) oder Historienschinken wie "Anna Boleyn" (1920) - Henny Porten war in den frühen Ufa-Jahren allgegenwärtig.
Am Filmset von "Anna Boleyn":
Erst 1928 beendete die Filmfirma die Zusammenarbeit mit der (nicht mehr ganz so jungen und erfolgreichen) Porten - um sich nach der "Machtergreifung" der Nazis erneut auf ihren einstigen Star zu besinnen. Kein Wunder: Portens Image der tugendhaft-natürlichen Sauberfrau entsprach exakt dem braunen Wunschtraum.
"Wahre Teufelei"
Entsprechend gut verlief das erste Treffen mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, selbst ernannter Chef des deutschen Films: "Er begrüßte mich mit bestrickender Liebenswürdigkeit, (...) machte mir ein Kompliment nach dem anderen", erinnerte sich Porten in Tonbandaufzeichnungen. Der "Bock von Babelsberg", bekannt für seine vielen Affären mit Kinostars, versprach ihr "ganz große Filme".
Dazu kam es nicht. Denn Porten lehnte es ab, sich wie gefordert von ihrem zweiten Ehemann Wilhelm von Kaufmann-Asser zu trennen. Der Arzt jüdischer Abstammung wurde als "Halbjude" mit Berufsverbot belegt und schikaniert, Porten in der Nazi-Presse als "undeutsch" diffamiert. Andere Schauspieler mit "nicht-arischen" Partnern hielten diesem Druck nicht stand: So ließ sich Heinz Rühmann scheiden, Hans Albers trennte sich - zumindest offiziell - von seiner Freundin.
Bereits im Frühling 1933 entließ die Ufa viele jüdische Mitarbeiter, wurde ab 1937 verstaatlicht und verleibte sich nach und nach alle deutschen Studios ein. Spätestens ab 1942 mussten Hunderte Zwangsarbeiter in Babelsberg dafür sorgen, dass der Filmbetrieb auch im Krieg weiterlief.
Unterhaltung gepaart mit plumper Durchhaltepropaganda - das war die "Brot und Spiele"-Strategie von Joseph Goebbels. Er schmierte in Drehbüchern herum, inspizierte jeden Film - und machte Porten das Leben schwer: Kein Regisseur sollte mehr mit ihr arbeiten, bei Empfängen wurde sie gedemütigt. "Das System, das Goebbels bei mir anwandte, empfand ich als wahre Teufelei", zitiert Biografin Helga Belach die Schauspielerin.
Monatliche Rente dank Hitler
Hitler indes hofierte Porten. Er lud sie zum "Tag der deutschen Kunst" nach München ein, bat sie an seinen Tisch, outete sich als Fan. Laut Regisseur Géza von Cziffra war der unersättliche Kino-Fanatiker sogar in Porten verliebt.
Eine bizarre Situation: Henny Porten wurde kaltgestellt von Goebbels, zugleich verehrt von Hitler. Sie erhielt kaum noch Rollen, dafür aber auf Veranlassung des "Führers" einen monatlichen Scheck - "wegen ihrer großen Verdienste um den deutschen Film", so 1943 Martin Bormann, Leiter der NSDAP-Kanzlei.
Preisabfragezeitpunkt:
15.12.2019, 02:05 Uhr
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Beyer, Friedemann
Die Ufa: Ein Film-Universum
Verlag:
morisel
Seiten:
172
Preis:
29,90 €
Auch Reichsmarschall Hermann Göring und dessen jüngerer Bruder Albert hielten ihre schützende Hand über Porten und ihren Ehemann. Was die Gestapo jedoch nicht beeindruckte: Von Kaufmann wurde verhaftet, während Porten beim Dreh von "Familie Buchholz" eine lustige Berliner Hausfrau mimte. Sie eilte ins Gestapo-Hauptquartier und bettelte um Gnade, worauf ihr Mann wieder freigelassen wurde.
"Abgesetzte deutsche Kintopp-Königin"
Trotz allem harrte das Paar in Deutschland aus, wo Goebbels das Kino bis zum bitteren Ende vereinnahmte. Noch im Januar 1945 feierte der Durchhaltefilm "Kolberg" Premiere. Die Botschaft verkündete Schauspielstar Heinrich George: "Die Häuser können sie uns verbrennen, unsere Erde nicht."
Henny Portens letzte Rolle:
Mit Kriegsende ging die alte Ufa unter - und hoffte Henny Porten auf ein Comeback. Vergeblich: "Die Zeit der 'mütterlichen Venus' war vorbei", so Filmwissenschaftler Knut Hickethier. Nur noch drei Filme drehte die Schauspielerin nach 1945, davon zwei in der DDR. Nicht einmal für ihre Memoiren interessierte sich ein Verlag.
Henny Porten erlag am 15. Oktober 1960 in Berlin einer langen Krankheit. Der Tod des ersten deutschen Filmstars war dem SPIEGEL nur einen Satz wert: "Henny Porten, abgesetzte deutsche Kintopp-Königin (...) starb, mit dem Großen Verdienstkreuz getröstet, 70-jährig in einem Westberliner Krankenhaus."