Rat vom Jobcoach
Hilfe, mein Mitarbeiter zweifelt mich an
Das Problem:
Lisa, Mitte 50, arbeitet seit ihrer Ausbildung in der Verwaltung. Dort herrscht akuter Personalmangel. Aus Verantwortungsbewusstsein hat sie die vakante Position als Abteilungsleiterin übernommen. Kürzlich hatte sie dann eine Begegnung der anderen Art: Ein junger Bachelorabsolvent aus ihrem Team, frisch eingestellt, warf ihr vor allen Kollegen vor, dass sie sich nicht für eine Führungsposition eigne. Sie ist entrüstet und fragt, ob sie den Vorfall ansprechen sollte.
Zur Autorin
Svenja Hofert ist Karriere- und Managementcoach und hat mehr als 35 Bücher geschrieben, unter anderem "Agiler Führen" und "Karriere mit System".
- Haben Sie eine Frage an sie? Schicken Sie eine E-Mail.
Karriereberaterin Svenja Hofert antwortet: Das sollten Sie unbedingt. Die Frage ist, wann und wie. Eine unmittelbare Reaktion auf eine solche "Bemerkung" wäre sicher schlagfertig gewesen. Aber nicht jedem ist das Talent gegeben, in überraschenden Situation die passende Antwort parat zu haben. Und manchmal ist es sowieso gut, erst eine Nacht über einen solchen Vorfall zu schlafen. Morgens sieht man vieles gelassener. Gespräche mit Freunden, Kollegen und vielleicht einem Coach helfen ebenfalls gegen die Wut.
Überlegen Sie in Ruhe, was angemessen ist, zu Ihnen als Persönlichkeit und in Ihren Kontext passt. Nehmen Sie Ihre Führungsrolle an. Das bedeutet, dass Sie über den Dingen stehen sollten. Denken Sie immer daran, dass Sie nie wissen, wie etwas gemeint war, und seien Sie mit Interpretationen vorsichtig. War es verletzend, frech, direkt, unüberlegt oder naiv? Vieles wird anders gesendet, als es ankommt.
Machen Sie klar, was Ihnen wichtig ist, beispielsweise faires Feedback in einem dafür vorgesehenen Rahmen. Ich würde Ihnen ein Vieraugengespräch zur Klärung empfehlen. Stellen Sie Fragen, versuchen Sie zu verstehen, versetzen Sie sich in den jungen Mitarbeiter hinein.
Als Führungskraft ist es jedoch auch wichtig, Position zu beziehen und Grenzen zu stecken. Sie sollten intervenieren, bevor Konflikte entstehen, sich ausbreiten oder gar manifestieren können. Ich sehe die Gefahr, dass eine Alt-gegen-Jung-Front entsteht, wenn sich die Kollegen auf eine Seite schlagen. Typischerweise wird das eher die Seite der Mehrheit sein, also die der altgedienten Mitarbeiter. Es sei denn, Sie machen als Führungskraft eine schwache Figur, und nicht nur der junge Kollege zweifelt Ihre Fähigkeit an .
So oder so: Wenn Sie die Dinge nicht angehen und ansprechen, werden Konflikte verdeckt ausgetragen werden. Sogenannte "kalte" Konflikte sind eigentlich heiß, denn sie brodeln wie leicht kochendes Wasser unter einem Deckel. Und richten dabei enormen Schaden an, weil niemand weiß, wann sie überkochen und wodurch.
Mir ist der Fall einer älteren Führungskraft in Erinnerung, der seine jüngere Mitarbeiterin bis in den Burn-out mobbte, nachdem sie ihm ein Feedback gegeben hatte. Und dabei hatte sie etwas sehr Ähnliches getan wie Lisas junger Mitarbeiter. Sie hatte gefragt, ob sie dem Chef eine Rückmeldung geben dürfe, und nach der Erlaubnis - die wohl nicht so gemeint war - offene Kritik geäußert.
Natürlich ist eine so subtile Rache ein Zeichen von persönlicher Unreife und einer Führungskraft nicht würdig. Aber solche Reaktionen sind nicht selten. Derart still eskalierte "kalte Konflikte" sind oft nur noch durch eine Trennung oder Versetzung lösbar.
Angriff ist nicht die beste Verteidigung
So weit ist es hier noch lange nicht. Aber dieser Dramaturgie sollten Sie, Lisa, sich bewusst sein. Sprechen Sie mit dem jungen Kollegen. Fragen Sie, wie er zu seiner Aussage kommt und welches Führungsverständnis dahinterliegt. Erklären Sie Ihres. Warum führen Sie, wie Sie führen? Welche Erfahrungen prägen Sie?
Fragen Sie ihn: Was kann ich in Zukunft besser machen? Sehen Sie Führung als einen Dienst am Menschen. Das bedeutet nicht, jedem alles recht machen zu wollen. Aber zuhören und verstehen sollte man schon.
Angriff ist übrigens nicht die beste Verteidigung: Fahren Sie bloß nicht die Nummer mit "Früher war alles besser" oder "Zu meiner Zeit hatte man noch Respekt". Das kommt ganz schlecht an. Falls Sie sich persönlich angegriffen fühlen, reflektieren Sie, warum das so ist. Sicher werden Sie zu dem Schluss kommen, dass das mit Ihnen selbst zu tun hat und nicht angemessen ist.
Respekt ist übrigens keine Frage des Alters. Ältere und jüngere Mitarbeiter können sich wunderbar verstehen, wenn jeder die Qualitäten des anderen wertschätzt. Nur weil die Generation der Babyboomer gelernt hat, den Chefs besser kein Feedback zu geben, muss und sollte das nicht für die Zukunft gelten.
Das Verständnis von Führung wandelt sich. Vor allem da, wo ein hohes Durchschnittsalter und lange Zugehörigkeiten üblich sind, prallen deshalb Welten und Wertvorstellungen aufeinander. Klar ist aber, dass sich die alte Welt verändern muss, allein schon, damit junge Mitarbeiter ins Unternehmen kommen und mit frischen Ideen dessen Existenz sichern können.