Streamingdienste im Überblick
Alles so schön bunt hier
Es ist nicht lange her, da war die deutsche Fernsehwelt noch hübsch einfach: Es gab die Öffentlich-Rechtlichen, die RTL- und die ProSieben-Sat.1-Gruppe. Der Rest kam auf der Fernbedienung ab Platz 25.
Mittlerweile gibt es eine Batterie von Streamingdiensten, die die Qualität wahrlich nicht senken, das Angebot aber durchaus leicht unübersichtlich machen. Die Abendgestaltungsplanung aus der Ära der Fernsehprogrammzeitschrift wird ergänzt durch die Notwendigkeit des Zugangsmanagements.
Welche Dienste gibt es - und wer bietet was? Eine Auswahl:
Joyn
Die Idee, eine gemeinsame Plattform deutscher Sender zu schaffen, um die internationalen Branchengrößen zusammen herauszufordern, ist nicht neu. Joyn, der im Juni vorgestellte Nachfolger der Videoplattform 7TV von ProSiebenSat.1 und dem US-Konzern Discovery, kommt dem bislang am nähesten - mit Inhalten aus elf Mediatheken und dutzenden Livestreams. Nur ohne die Sender der RTL-Gruppe, die eigene Pläne verfolgt. Die Online-Videothek Maxdome (7,99 Euro/Monat) von ProSiebenSat.1 soll bald genauso einsortiert werden wie der Eurosport Player (derzeit 6,99 Euro/Monat) von Discovery, der etwa einige Bundesligaspiele zeigt. Dann soll es, neben einem werbefinanzierten Basisdienst, auch einen kostenpflichtigen Premiumzugang geben.
TV Now
RTL hat lieber in den Ausbau des eigenen Portals investiert - TVNow. Vornehmlich sind Eigenproduktionen zu sehen, aber derzeit zum Beispiel auch "die volle Ladung Bond" (voll im Sinn von: nicht die zwei neuesten Filme). Es gibt ein werbefinanziertes und, für 4,99 Euro/Monat, ein Premium-Angebot, auf dem exklusiv etwa die neue Miniserienversion von "M - eine Stadt sucht ihren Mörder" lief. Derzeit ist zudem Bauernreporter Ralf ganz nah dran an den Protagonisten von "Bauer sucht Frau". Für alle, die RTLs Sender mögen, weil sie sind, wie sie sind, gibt es Highlights schon vor der Ausstrahlung. Zum Beispiel die "Nachtschwestern". Fans von Anime-Serien aufgemerkt: Der Streamingdienst Watchbox ist integriert.
Netflix
Netflix, 1997 in den USA als Online-Videothek gegründet - angeblich weil Gründer Reed Hastings hohe Leihgebühren für eine verlegte "Apollo 13"-DVD zahlen sollte -, ist derzeit wohl das produktivste Streamingunternehmen der Welt. Auf jeden Fall das meistgejagte. Am laufenden Meter starten Eigenproduktionen, die zum Teil aber nur im fortgeschrittenen Stadium gekauft und nicht von Grund auf selbst entwickelt wurden. Dazu kommt eine lange Liste lizensierter Filme und Serien. Mittlerweile mischt Netflix zudem im Kinogeschäft mit. Gleich für die erste Produktion von Netflix Deutschland - die erste "Dark"-Staffel - gab es einen Grimme-Preis. Dokumentationen, geschweige denn Dokumentarfilme aus deutscher Produktion gibt es nicht. Sollte jemand eine Marktlücke suchen: Da wäre eine. (7,99 Euro/Monat).
filmingo
Was früher kleine Spezialvideotheken waren, sind jetzt Dienste wie Filmingo, der bis vor Kurzem noch Trigon-Film hieß, wie der Schweizer Filmverlag, der dahinter steckt. Filmingo hat ein kleines, aber sorgfältig kuratiertes Programm: Klassiker aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Europas Osten. Dazu gibt es kommentierte Empfehlungslisten ausgewählter Regisseurinnen und Regisseure (ab 6 Euro/Monat).
Sky Ticket
Der Vorgänger von Sky, Premiere, hatte daran zu knabbern, dass Deutschland seinerzeit kein Pay-TV-Land war. Sky hat dieses Problem nicht; die Leute sind ja längst bereit, zu zahlen. Die Frage ist nun nur, wie man sich abhebt? Nicht das unwichtigste Alleinstellungsmerkmal neben Eigenproduktionen und -koproduktionen wie "Babylon Berlin" ist Sport, Sport, Sport. Nicht jedes Fußballspiel mit deutscher Beteiligung läuft bei Sky. Trotzdem: Fußballkneipen ohne Sky sind wie Bierkneipen, in denen es nur ab und zu mal Getränke gibt. Außerdem zeichnet sich Sky mit unterschiedlichen Kino-, Serien-, Kombinations- und mehreren Sport-Paketen durch eine gewisse Grundunübersichtlichkeit aus. Es gibt zudem nicht nur diverse Pay-TV-, sondern auch diverse Streaming-Angebote ohne langfristiges Abonnement und Receiver. Der Dienst dafür heißt Sky Ticket und ist praktisch, wenn man etwa nur mal ein einzelnes Tennisturnier sehen will. Wobei Sky Ticket für Filme und Serien zusammen mit 19,98 Euro/Monat vergleichsweise teuer ist.
DAZN
Sportfischen? DAZN! Der Streamingdienst (9,99 Euro/Monat) der britischen Perform Group, der angetreten ist, das "Netflix des Sport" zu werden, zeigt auch einige der nicht-olympischsten aller Sportarten. Spiele der NBA, der NFL, der MLB, der NHL und diverser Fußballligen aus aller Welt sowie der Männer-Champions-League gibt es freilich auch. Die Übertragungsrechte an der Bundesliga oder an Tennis-Grand-Slams aber liegen derzeit bei anderen.
MagentaTV
Für den Vorgänger EntertainTV brauchte man einen Telekomvertrag. Das recht neue Magenta-Programm dagegen kann man nun auch ohne abonnieren. 7,95 Euro pro Monat - da spart man auf 10 Jahre gesehen gegenüber Netflix immerhin symbolische 4,80 Euro. In der "Megathek" gibt es erheblich mehr ARD- und ZDF-Lizenzinhalte aus den öffentlich-rechtlichen Archiven als bei konkurrierenden Diensten, derzeit zum Beispiel knapp 260 seit 1970 gezeigte "Tatorte". Die erste Eigenproduktion war 2018 "Deutsch-Les-Landes" mit Christoph Maria Herbst. Für Telekomkunden, die einen Aufpreis zahlen, ist Magenta ansonsten im Prinzip eine Oberfläche fürs Fernsehen: Man kann diverse Mediatheken aufrufen, aber auch traditionell durch die üblichen linearen Programme zappen. Dass man über den MagentaTV auch Zugriff auf Videoload bekommt, liegt nahe - die Videothek der Telekom mit Leih- und Kauffilmen.
Prime Video
Amazon wäre kein Riesenkaufhaus, wenn es nicht auch Streaming und Großeinkauf zusammendenken würde. Prime Video, aus der von Amazon gekauften Online-Videothek Lovefilm hervorgegangen, gibt es als Streamingdienst (7,99 Euro/Monat), aber es mischen sich auch Filme ins Angebot, für die zusätzliche Leih- oder Kaufkosten anfallen. Vieles ist eingekauft, einiges auch selbstproduziert - für Deutschland entstanden etwa die preisgekrönte Serie "Beat" oder die jüngsten Staffeln der einstigen Sat.1-Serie "Pastewka".
Netzkino
"Kostenlos und legal Filme schauen!" - was es nicht alles gibt. Dass ein solcher Anbieter nicht alle Superhelden-Blockbuster im Programm hat, liegt auf der Hand. Es gibt Rubriken, die "Arthousekino", "Queerkino" oder "Asiakino" heißen. Netzkino, werbefinanziert, ist eine Art Wühlkiste, ein Berliner Hinterhofkino-Streamingdienst. Seit einiger Zeit gibt es auch das werbefreie NetzkinoPlus mit einem größerem Filmangebot (4,99/Monat).
Google Play Filme und Serien
Googles Beitrag: die Pay-per-view-Online-Videothek mit Filmen und Serien zum Leihen und Kaufen, "Play Filme und Serien". Popcornkino ist zumindest nicht unterrepräsentiert. Bisweilen gibt es Leihfilme für 1,99 Euro, insgesamt ist der Dienst aber nicht der preiswerteste.
AppleTV+, Disney+, WarnerMedia
Die große Expansion steht bevor: Wenn im November Disney+ startet, wird der Konzern, zu dem auch 21th Century Fox gehört, seine Filme von Streamingplattformen der Konkurrenz exklusiv zu sich geholt haben. Auch Warner Media will noch 2019 seinen eigenen Dienst starten und dann populäre Serien wie "Riverdale" von Netflix abziehen. Und Apple macht nun auch selbst Inhalt. Kürzlich hieß es, AppleTV+ wolle das "Anti-Netflix" werden und nicht "die meisten", sondern "die besten" Inhalte schaffen. Es drängen jedenfalls weitere sehr große Player auf den Markt. Interessant wird, was das mittelfristig für das Kino, für Netflix, aber auch für deutsche Unternehmen und Produzenten bedeutet.