Rechtschreibschwäche
Negativer Hinweis darf in Abi-Zeugnis stehen
Ein Arzt hatte ihm eine Rechtschreibschwäche diagnostiziert, für Klausuren bekam der Gymnasiast aus Bayern daraufhin mehr Zeit. In seinem Abiturzeugnis vermerkte die Schule einen Hinweis auf die Beeinträchtigung: "Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet."
Der Abiturient sah in dem Vermerk eine Diskriminierung und klagte sich durch mehrere Instanzen. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden: Der ehemalige Schüler wird mit dem Vermerk auf dem Abschlusszeugnis leben müssen.
Nach der Entscheidung gilt nun das Urteil des Verwaltungsgerichts München. Im Februar 2013 hatten die dortigen Richter entschieden, dass der Hinweis auf die Legasthenie zwar nicht im Zeugnis auftauchen soll. Bleiben darf aber der Hinweis, dass die Rechtschreibleistungen nicht bewertet wurden.
Wer das Zeugnis liest, dürfte also weiterhin auf die Rechtschreibschwäche des Schülers schließen können - auch wenn diese nicht explizit genannt wird. Das Bundesverwaltungsgericht musste nun darüber befinden, ob es überhaupt eine rechtliche Grundlage für den Vermerk gab. Das Kultusministerium hatte damals nämlich lediglich eine Verordnung erlassen, wonach eine Rechtschreibschwäche bei der Bewertung von Klausuren berücksichtigt werden kann. Nach Meinung der Richter reicht das jedoch nicht aus: Der Landtag hätte entsprechende Regelungen in einem Gesetz beschließen müssen (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 33.14 und 6 C 35.14).
Insoweit seien zwar sowohl die Note als auch die Bemerkung im Zeugnis rechtswidrig zustande gekommen. Der Schüler könne aber nicht verlangen, dass die Note bestehen bleibe, der Vermerk, wie sie zustande kam, aber gestrichen werde.
Klagen gegen Kopfnoten
Was im Schulzeugnis vermerkt werden darf, hat die Gerichte schon häufig beschäftigt. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wurde erstmals 2009 das Arbeits- und Sozialverhalten von Schülern bewertet. Die Tochter des Landeselternratsvorsitzenden in Greifswald klagte dagegen, unter anderem, weil die 14-Jährige davon die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Unantastbarkeit der Menschenwürde verletzt sah. Das Oberverwaltungsgericht sah allerdings keine Verletzung von Grundrechten und wies die Klage ab. Die Wiedereinführung dieser sogenannten Kopfnoten zog Klagen in mehreren Bundesländern nach sich.
Laut Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler dürfen Bemerkungen im Abschlusszeugnis den Übergang ins Berufsleben nicht beeinträchtigen. Kommentare, für die es keine Grundlage in der jeweiligen Schulordnung des Bundesland gibt, sind daher tabu. Ein Beispiel: "'Der Schüler hat sich bemüht, pünktlich zu sein' gehört nicht ins Abschlusszeugnis", sagt Achelpöhler. Steht eine Rechtsbehelfsbelehrung im Zeugnis, haben Absolventen einen Monat Zeit, sich gegen unliebsame Bewertungen und Kommentare zu wehren. Steht die Belehrung dort nicht, haben sie ein Jahr Zeit. Auch später können die Betroffenen die Schule noch um Berichtigung bitten - einen Anspruch darauf haben sie dann aber nicht mehr.
bkr/dpa