
Waffen, Videospiele, 8chan
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Gewalt soll umgehend aus dem Supermarkt verschwinden. Nachdem ein rechtsextremer Terrorist am Samstag vor einer Woche 22 Menschen in einem Walmart in El Paso erschossen hat, hat der Konzern seine Mitarbeiter angewiesen, unter anderem Demostationen und Werbung für gewalthaltige Spiele wie Shooter sofort von den Verkaufsflächen zu entfernen. Waffen will Walmart aber weiter verkaufen.
Der Supermarktgigant vertreibt zwar schon seit 2015 keine Sturmgewehre mehr und verkauft Waffen seit dem Parkland-Schulmassaker nur noch an Schützen, die älter als 21 sind. Dennoch zählt Walmart bis heute zu den größten Waffenhändlern der USA.
Das Vorgehen des Konzerns ist symptomatisch für die Debatten nach der El-Paso-Attacke. Anstatt die Wurzeln des Problems zu bekämpfen, folgen kosmetische Änderungen, die vor allem Handlungswillen demonstrieren sollen.
Ein zum Tatort gewordener Supermarkt, der Spiele statt Waffen verbannt. Ein Präsident, der jetzt zur Einheit aufruft, aber sonst offen gegen Migranten hetzt und Rassisten bestärkt. Eine Debatte, die auf das (zweifelsfrei problematische) Forum 8chan verkürzt wird, obwohl dieses nur ein Teil des besorgniserregenden Klimas ist, in dem Hass und Rassismus gesellschaftsfähig geworden sind - und längst nicht nur in den "dunklen Tiefen des Internets" (Trump) zu finden.
Unter der Regierung Trump wurden die Budgets für Präventionsprojekte gegen Extremismus in den vergangenen Jahren gekürzt, das Weiße Haus hat sich auch dagegen gesperrt, den Kampf gegen Inlandsterrorismus stärker zu priorisieren. Stattdessen setzt sich der US-Präsident derzeit dafür ein, soziale Netzwerke stärker zu kontrollieren - um einer angeblichen Benachteiligung konservativer Stimmen entgegenzuwirken. Dabei könnte dies künftig mehr Freiheit für radikale Positionen bedeuten.
El Paso wird zudem als Steilvorlage für unpopuläre Maßnahmen genutzt, die ohnehin geplant waren - wie die zunehmende Überwachung sozialer Netzwerke. Neue Analysewerkzeuge sollen etwa mutmaßliche Attentäter online entdecken, bevor sie zuschlagen - ob das funktionieren kann, ist aber höchst umstritten. Und das FBI hat etwa eine Ausschreibung für ein Social-Media-Werkzeug veröffentlicht, mit dem Profile, Netzwerke, Kontaktdaten, Standorte und Beziehungen von Zielpersonen durchforstet werden sollen.
Es wäre sinnvoller und wohl auch erfolgreicher, potenziellen Attentätern erst einmal den leichten Zugang zu Waffen zu entziehen. Der "New York Times" zufolge liegen die USA nämlich sowohl bei der Anzahl der Waffen pro Einwohner als auch bei Massenschießereien ganz vorn.
"Wir leben in einem Land, in dem man ein AR-15-Gewehr bei einer Tombola gewinnen kann und in dem religiöse Gemeinschaften Zeremonien zur Ehrung ihrer Schusswaffen abhalten und dabei Kronen aus 5.56-mm-Kugeln tragen", schreibt ein Ex-Marinesoldat in seinem Essay über die überbewertete Rolle von Videospielen als Terroristentrainer. "Wir haben ein viel, viel größeres Problem als Shoot-Bang-Videospiele, und wir müssen es angehen."
Ein politischer Wille, strengere Waffenkontrollen, die nach jedem Anschlag - zu Recht - gefordert werden, endlich anzugehen und die Macht der US-Waffenlobby NRA einzuschränken, existiert jedoch nicht. Die Hoffnung auf tief greifende Reformen wie etwa ein Verbot von Sturmgewehren dürfte auch diesmal eine Illusion bleiben.
Seltsame Digitalwelt: Und dann ist Internet-Sperrstunde
In den vergangenen Tagen habe ich nach einer Reise nach Los Angeles mit einem brutalen Jetlag gekämpft. Um ein Uhr nachts war ich wieder wach und wollte gegen die Schlaflosigkeit ein bisschen auf meinem Handy herumscrollen: Twitter lesen, Facebook checken - die übliche Ablenkung, bis die Augen müde werden (und man dann trotzdem nicht einschlafen kann).
Allerdings ist in der Wohnung, in der ich gerade vorübergehend wohne, eine Internetsperre eingerichtet: Zwischen ein Uhr nachts und sechs Uhr morgens wird das WLAN automatisch abgestellt. Nachdem ich mich anfangs darüber aufgeregt habe, ist die Bilanz gar nicht so schlecht: Ich habe es in nur einer Woche geschafft, drei Bücher zu lesen.
App der Woche: "Journey"
getestet von Tobias Kirchner
"Journey" ist ein besonderes Multiplayer-Spiel. Eigentlich steuert man eine einsame Figur quer durch eine riesige Wüste. In dem Spiel, das vor allem auf Sonys Playstation 3 erfolgreich war, trifft man jedoch immer wieder auf andere Spieler, die ebenfalls in dieser Welt unterwegs sind. Es ist aber keine Kommunikation über Chats möglich.
So ergibt sich eine für Videospiele ungewohnte Art der Interaktion und Erfahrung. Weitere Pluspunkte von "Journey" sind die wunderschön gestaltete Welt und der tolle Soundtrack.
Für 5,49 Euro von Annapurna Interactive: iOS
Fremdlink: Drei Tipps aus anderen Medien
- "Inside the hidden world of elevator phone phreaking" (Englisch, acht Leseminuten)
In einem Fahrstuhl anrufen oder die Gäste belauschen - auf der Defcon in Las Vegas hat der Sicherheitsforscher Will Caruana einen Vortrag über "Elevator Phone Phreaking" gehalten. "Wired" hat aufgeschrieben, wie Caruana sich in die Telefonsysteme von Fahrstühlen einwählt - und es selbst ausprobiert.
- "Lovoo-Nutzer können geortet werden" (Deutsch, vier Leseminuten)
Bis auf 30 oder 50 Meter genau lassen sich die Standorte von Nutzern der Dating-App in vielen Fällen nachvollziehen, warnt der Bayerische Rundfunk (BR): So könnten mit den Daten der App Bewegungsprofile von Lovoo-Nutzern erstellt werden.
- "TikTok is fueling India's hate speech epidemic" (Englisch, sieben Leseminuten)
Eine Video-App entfacht den Hass zwischen Indiens Kasten: 48.000 Videos wurden innerhalb von fünf Monaten von TikTok entfernt, weil sie zu Hass und Gewalt anstifteten. In ländlichen Gegenden in Indien wird die Kluft zwischen den Kasten auch digital verstärkt: Die Hassbotschaften per App führen teilweise sogar zu Morden, heißt es bei "Wired".
Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche
Sonja Peteranderl
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