Knackpunkte beim G20-Gipfel
Wo es heikel wird
Die Nervosität vor dem G20-Gipfel in Hamburg ist groß. Mancher Hanseat, so scheint es, sieht seine Stadt schon in Schutt und Asche liegen, wenn die Staats- und Regierungschefs und ihre protestierenden Widersacher wieder von dannen gezogen sind. Tatsächlich sind die Sicherheitsbehörden in höchster Anspannung. Und dann ist da natürlich noch die Sorge vor einem Terroranschlag.
Kaum weniger nervös sind allerdings diejenigen, die sich um die Inhalte der Zusammenkunft am Freitag und Samstag kümmern. Denn so angespannt die Stimmung in der Stadt teilweise wirkt - zwischen manchen Teilnehmern des Gipfels ist sie nicht viel besser. Und dabei geht es nicht nur um Gäste wie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin. Vor allem der neue Mann im Weißen Haus bereitet den deutschen Gastgebern um Kanzlerin Angela Merkel Kopfzerbrechen.
Klimaschutz, Finanzmarktregulierung, Freihandel - wie soll bei diesen Themen in Hamburg eine gemeinsame Erklärung der G20-Mitglieder erreicht werden, die Donald Trump mitträgt?
Zwar hat Trump der Kanzlerin in einem Telefonat zu Beginn der Woche versichert, dass er dabei helfen wolle, "den Gipfel zum Erfolg zu machen". Am Donnerstag treffen sich beide am frühen Abend zum Vorgespräch im Hamburger Hotel "Atlantic" (verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung im G20-Newsblog). Aber wird das reichen? Schon beim G7-Gipfel vor einigen Wochen im sizilianischen Taormina hatte der US-Präsident an einigen Stellen blockiert.
Das Abschlusskommuniqué von Hamburg, an dem die Unterhändler der Staats- und Regierungschefs - Sherpas genannt - schon seit Wochen arbeiten, wird deshalb mit großer Spannung erwartet. Das Minimalziel lautet: wenigstens nicht hinter die Beschlüsse des vergangenen G20-Gipfels im chinesischen Hangzhou zurückfallen. Im schlimmsten Fall wird man sich in der Hansestadt auf so wachsweiche Formulierungen verständigen, dass alle damit leben können.
Erklärvideo: Was passiert beim G20-Gipfel?
Im Geiste der bisherigen G20-Gipfel müssen dem Dokument am Ende eigentlich alle zustimmen. Sollten die USA in bestimmten Fragen tatsächlich gegen die anderen 19 stehen, dürfte sich das in der Abschlusserklärung nicht wiederfinden. Andererseits: Beim vergangenen G7-Gipfel enthielt die Abschlusserklärung zum ersten Mal eine abweichende Haltung - nämlich der USA. Natürlich gibt es auch zwischen anderen Mitgliedern, insbesondere solchen aus der Gruppe der sogenannten Schwellen- und den Industrieländern auf der anderen Seite, erhebliche Differenzen.
Nach dem jüngsten Raketentest durch Nordkorea dürfte auch der Umgang mit dem Regime in Pjöngjang Thema in Hamburg werden, auch wenn es nicht Teil der offiziellen Agenda ist. Russland und China könnten mäßigend Einfluss auf Diktator Kim Jong Un nehmen, hoffen vor allem die USA und Südkorea.
Konkret will die deutsche G20-Präsidentschaft in Hamburg
- die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen verbessern, grenzüberschreitende Steuervermeidung soll eingedämmt werden,
- die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens vorantreiben,
- ein Bekenntnis zum Freihandel sowie den Abbau von Strafzöllen propagieren.
"Schwierige Diskussionen" erwartet Kanzlerin Merkel laut ihrem Regierungssprecher. Man könnte auch sagen: Es erscheint mit Blick auf Trump unmöglich, sich darauf zu einigen. Dieser hat ganz eigene steuerpolitische Vorstellungen, ist erst kürzlich aus dem Pariser Klimaabkommen ausgeschert und will die USA protektionistisch abschotten. Auch in der Frage, wie künftig Uno-Missionen finanziert werden - aus deutscher Sicht ein wichtiger Punkt -, gibt es Dissens mit dem US-Präsidenten: Trump will der Uno grundsätzlich weniger Geld geben.
Andere Themen auf der Hamburger Tagesordnung dürften weniger konfliktreich sein. Dabei geht es unter anderem um die Verbesserung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen, die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen und die Verbesserung der weltweiten Koordination bei sogenannten Pandemien. Auch gemeinsame Schritte für mehr Engagement für Afrika stehen auf der Agenda.
Ob es am Ende für mehr als einen Mini-Konsens in Hamburg reicht, dürfte wohl auch von der Frage abhängen, wie erfolgreich US-Präsident Trump in seinen bilateralen Gesprächen am Rande des Gipfels ist - beispielsweise bei seinem für Freitag geplanten Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Putin. Angesichts der laufenden Ermittlungen in den USA gegen Trump und Mitglieder seiner Regierung wegen möglicher Verwicklungen mit Russland ist das ein hochbrisantes Meeting und wird vor allem von den US-Medien sehr aufmerksam verfolgt werden.
Und vielleicht hat Trump nach seinem undiplomatischen Auftritt im italienischen Taormina ja auch dazugelernt - und gibt sich nun beim G20-Gipfel kompromissbereiter. Seine deutschen Gastgeber hätten sicher nichts dagegen.