Bayern-Rückspiel in Barcelona
Sturm auf die Barça-Burg
Das Camp Nou gleicht einer Festung. Dieser unwirklich große Betonklotz im Westen der Stadt, dort, wo der FC Barcelona zu Hause ist: Er scheint kaum einnehmbar. Betritt man das mehr als ein halbes Jahrhundert alte Stadion und gelangt durch die dunklen Gänge in den Innenraum, wird man verschlungen. Beeindruckend. Hier soll eine fremde Fußballmannschaft bestehen können?
Der FC Bayern München hat genau das vor. Im Rückspiel des Champions-League-Halbfinales gegen den FC Barcelona soll das Camp Nou im Sturm erobert werden. Zumindest, wenn man Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller glaubt. "Wir wollen uns nicht hinten reinstellen, sondern das Spiel gewinnen", sagt Schweinsteiger. Er, Müller und auch Trainer Jupp Heynckes betonen vehement, dass die Münchner sich nicht auf ihrem 4:0-Vorsprung aus dem Hinspiel ausruhen möchten.
"Meine Mannschaft wird mutig nach vorne spielen und versuchen, Tore zu schießen", sagt Heynckes. "Wir sind kein Team, das nur verteidigt." Deshalb werde Heynckes auch keine Rücksicht auf die sechs drohenden Gelbsperren (Bastian Schweinsteiger, Javier Martínez, Philipp Lahm, Mario Gomez, Luiz Gustavo und Dante) für das Endspiel nehmen, "für mich ist hier noch gar nichts entschieden".
Chelsea-Niederlage hat vieles verändert
Es klingt, als fühle sich der Trainer in seiner Ehre gekränkt, sollte jemand davon ausgehen, dass seine Elf nur das Ergebnis verwalten wolle. Es sei ein anderes Team als noch vor einem Jahr. Eines, das derzeit mitreißenden Fußball spielt, sagt Heynckes. "Wer so ein Champions-League-Spiel wie das gegen Chelsea miterlebt hat, kann verstehen, dass man vieles verändert."
Der Verein habe nach der Final-Niederlage im vergangenen Jahr nicht resigniert, sondern gute Spieler eingekauft, den Kader homogener gestaltet und vor allem auch den Teamgeist verbessert, sagt Heynckes. Vieles davon war sein Werk, das weiß er. Er hat es geschafft, dass ein Profi wie Bastian Schweinsteiger, dem nach dem verlorenen Endspiel gegen Chelsea und dem Halbfinal-Aus bei der Europameisterschaft 2012 schon ein nachhaltiges Trauma prophezeit worden war, wieder mit Stolz das Bayern-Trikot trägt.
"Es ist eine große Ehre, für diesen Verein zu spielen", sagt Schweinsteiger auf die Frage eines spanischen Journalisten. Es ist ein Satz, wie man ihn sonst eigentlich aus dem Mund eines Spielers des FC Barcelona gewohnt ist, diesem Verein, dem Tugend, Moral und Zusammenhalt so wichtig sind wie das Sportliche.
Barcelona hofft auf ein Wunder
Barça-Präsident Sandro Rosell hatte mit Blick auf die Krebserkrankung von Trainer Tito Vilanova Anfang dieses Jahres gesagt: "Es ist schön, wenn wir Titel gewinnen, wenn nicht: Pech. Tito Vilanovas Gesundheit ist am wichtigsten." Auch wollte man den Trainer während seiner Behandlungszeit in New York nicht ersetzen, aus Solidarität. Das ist der FC Barcelona.
Und so ist es für den Verein nach dem Hinspiel in München noch lange nicht vorbei, Spieler und Trainer glauben an ihre Chance an diesem Abend (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE, TV: ZDF). "Wenn eine Mannschaft ein 0:4 aufholen kann, dann ist es die unsere. Wir sind hundertprozentig davon überzeugt, dass wir es schaffen werden", sagt Gerard Piqué.
Fußball habe viel mit Psychologie zu tun: "Wenn ich Leo Messi sehe und Xavi und Andrés Iniesta und Cesc Fàbregas: Da wächst mein Selbstvertrauen, da weiß ich, wir können es packen. Das ist es, was wir alle glauben müssen, die Mannschaft, die Fans." Vilanova ergänzte: "Wir sind Barça! Wir werden nicht ohne Kampf ausscheiden. Unsere Fans sollen stolz auf uns sein!"
Da ist es wieder, dieses Wort: Stolz. Die 0:4-Niederlage in München hat Barças Stolz gekränkt. Das soll nicht wieder passieren, nicht im Camp Nou, nicht vor knapp 100.000 Zuschauern. Der FC Barcelona wird seine Festung nicht einfach aufgeben.