Außergewöhnliche Temperaturen
Forscher messen Wärmerekord in den Ozeanen
Asheville - Es ist so warm wie schon sehr lange nicht mehr in den Weltmeeren. Genaugenommen so warm wie noch nie seit dem Start der Datenaufzeichnung vor fast 130 Jahren. Das berichtet das National Climatic Data Center, eine Einrichtung der US-Wetterbehörde NOAA. Dort werden Wetterdaten archiviert - jeden Tag kommt ein Datenberg von 224 Gigabyte hinzu.
Und bei der Auswertung der aktuellen Beobachtungsdaten, gesammelt vor allem von Satelliten, zeigt sich: Das Wasser der Ozeane ist derzeit im globalen Schnitt fast 17 Grad warm. Dieser Wert liegt 0,59 Grad über dem langjährigen Mittelwert. Damit ist nach dem Juni auch der Juli ein absoluter Rekordmonat - und der August könnte den Forschern zufolge einen weiteren Hitzerekord bringen. Die bisherige Höchstmarke stammt aus dem Juli 1998, damals machte sich im Pazifik das Wetterphänomen El Niño massiv bemerkbar.
Und auch dieses Mal spielt El Niño eine wichtige Rolle - doch es gibt weitere gewichtige Faktoren, die das Rekordhoch nach Ansicht der Forscher erklären. Und neben einer speziellen Wetterkonstellation - wärmere Temperaturen treten derzeit tendenziell über den Meeren auf, kühlere über Land - ist das vor allem die von den Menschen gemachte Klimaerwärmung.
"Deutliches Signal" für einen längerfristigen Erwärmungstrend
Doch besonders stark interessieren sich die Forscher für die Aufheizung des Wassers: Die Temperaturwerte im Mittelmeer lägen derzeit drei Grad über den langjährigen Mittelwerten, berichten die US-Wetterforscher. Auch im Pazifischen und im Indischen Ozean habe man starke Erwärmungen beobachtet.
Dass das Ozeanwasser immer wärmer wird, bleibt nicht folgenlos:
- Korallenriffe bleichen aus, wie aktuell zum Beispiel vor Florida, Puerto Rico und den Virgin-Inseln beobachtet. Das Korallensterben gefährdet die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen.
- Das arktische Meereis schmilzt. Bei der Eisfläche lag der Juli-Wert (8,8 Millionen Quadratkilometer) in diesem Jahr auf dem drittniedrigsten Stand seit Start der Aufzeichnungen. Außerdem gelten warme Meeresströmungen als wichtiger Faktor für die Erklärung des schnelleren Abschmelzens der Gletscher in Grönland.
- Auch die Hurrikane könnten sich häufiger bilden und an Stärke zunehmen, warnen Klimaforscher. Im vergangenen Jahr hatten Wissenschaftler um James Elsner von der Florida State University in Tallahassee gezeigt, dass dieser Effekt bereits seit mindestens 25 Jahren eine Rolle spielt. Am deutlichsten war der Trend über dem Atlantik und dem nördlichen Teil des Indischen Ozeans.
Besonders tückisch: Einmal aufgeheiztes Meerwasser kühlt sich durch seine hohe spezifische Wärmekapazität nur langsam wieder ab. "Was einmal im Ozean gespeichert ist, bleibt dort länger, zum Teil mehrere Jahrzehnte lang", sagt Eberhard Fahrbach vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Er nennt die steigenden Temperaturen ein "deutliches Signal" für einen längerfristigen Erwärmungstrend.
Die NOAA-Wissenschaftler warnen, dass sich El Niño in den kommenden Monaten noch stärker bemerkbar machen könne - und so kurzfristig für weitere Temperaturrekorde sorge. Fahrbach wiederum verweist darauf, dass das Wetterphänomen seinerseits durch den Klimawandel verstärkt werden könnte. Den Ozeanen steht also noch einiges bevor.
chs/AP/dpa